Der Klimafonds soll in Zukunft Schäden und Verluste ausgleichen, die im Globalen Süden in Ländern entstehen, die besonders verwundbar durch den Klimawandel sind. Für Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt, ist die Einrichtung des Fonds „eine historische Entscheidung und ein großer Schritt hin zu mehr Klimagerechtigkeit.” Es sei ein „Erfolg, aber kein Grund zum Jubeln. Angesichts der fürchterlichen Auswirkungen des Klimawandels auf die ärmsten Bevölkerungsgruppen ist dies der längst notwendige Schritt von Industriestaaten, ihre Verantwortung anzunehmen. Die Entwicklungsländer haben gemeinsam dafür gekämpft, dass die verwundbaren Staaten Unterstützung bekommen.“
Sven Harmeling, Leiter Klimapolitik der internationalen Hilfsorganisation CARE, sagt zum Thema Klimaschäden: „Die Einigung auf einen neuen Fonds zur Finanzierung der Klimaschäden, die viele Länder infolge der Klimakrise erleiden, ist ein Meilenstein. CARE begrüßt, dass auch die EU und Deutschland ihre jahrelangen Blockaden aufgegeben und so wesentlich zu einer Einigung beigetragen haben. Bevor der Fonds Geld an Betroffene auszahlen können wird, sind insbesondere im nächsten Jahr – so der bei der COP27 beschlossene Fahrplan – wesentliche Fragen auszuarbeiten. Dazu gehört aus der Sicht von CARE auch ein Zahlungssystem, das Verursacher der Klimakrise in die Pflicht nimmt. Die fossile Energieindustrie muss hier miteinbezogen werden, gleichzeitig muss es einen starken Fokus auf die besonders betroffenen Bevölkerungsschichten in Ländern des Globalen Südens geben.“
Misereor-Klimaexpertin Anika Schroeder kommentiert: „Der Loss and Damage Fonds ist ein ermutigendes Zeichen, dass die Verursacher der Klimakrise endlich die besonders betroffenen Menschen im Globalen Süden nicht mehr im Regen stehen lassen wollen und zugleich ein politischer Durchbruch. Ob man sich ihrer dramatischen Lage wirklich annehmen wird, werden harte Verhandlungen im Aufbau des Fonds zeigen. Es ist unerlässlich, dass der Fonds mit frischem Geld gefüllt wird und seine Programme besonders vulnerable Gruppen in den Blick nehmen. Es muss sich um Schenkungen handeln statt die bisher maßgeblich auf Krediten begründete und auf wenige größere Länder fokussierte Klimafinanzierung zu wiederholen.“
„Nur, weil die Länder des globalen Südens mit der Unterstützung der Zivilgesellschaft bis zum Schluss am Thema Klimaschäden festgehalten haben, konnte ein Teilerfolg errungen werden“, so Antje von Broock, Geschäftsführerin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland und Sprecherin der Klima-Allianz Deutschland, erklärt: „Dies bleibt aber ein Durchbruch mit Einschränkungen, denn erstens ist an dem Grundgerüst noch viel zu klären, gleichzeitig steht die COP27 für ein weiteres verlorenes Jahr beim klaren Adressieren der Ursache der Klimakrise: dem Verbrennen fossiler Energien. So droht der Finanzrahmen für Schäden und Verluste zu einem ‚Fonds für das Ende der Welt‘ zu werden“. Raddatz weiter: „Es ist die Enttäuschung dieser COP, dass es nicht gelungen ist, ein Bekenntnis zum schrittweisen Ausstieg aus allen fossilen Energien zu verankern. Obwohl das viele Länder gefordert hatten.“
Enttäuschende Ergebnisse zum Klimaschutz
Die Ergebnisse zum Klimaschutz fallen sehr enttäuschend aus. Zwar wurde in der Abschlusserklärung das Ziel bekräftigt, die Erderhitzung auf 1,5-Grad zu begrenzen, aber die Staaten konnten sich nicht auf den weltweiten Ausstieg von Kohle, Gas und Öl einigen.
„Im Jahr 2022 ist es absurd, sich auf einem Klimagipfel nicht zum Ende der Fossilen zu bekennen. Für den internationalen Klimaschutz war es ein verlorenes Jahr, denn man hat nur die Beschlüsse vom Klimagipfel vor einem Jahr in Glasgow wiederholt. Es kam zu keiner Ambitionssteigerung, obwohl die EU sich stark dafür eingesetzt hat“, sagt Sabine Minninger, Klimaexpertin von Brot für die Welt. „Staaten, die weiterhin die Atmosphäre verschmutzen und den Ausstieg aus den Fossilen blockieren, sollten sich dazu verpflichten, dementsprechend auch in den neu beschlossenen Fonds zur Bewältigung von Klimaschäden einzuzahlen. Sie dürfen sich nicht dahinter verstecken, selbst Entwicklungsland zu sein und gar Anspruch zu haben, sich selbst aus dem Fonds zu bedienen!“
„Dieser Weltklimagipfel war ein Abwehrkampf gegen die Öl- und Gas-Lobby. Die Lobby hat lange versucht aus der aktuellen Energiekrise Kapital zu schlagen, aber letztlich hat sich eine große Allianz progressiver Staaten dagegengestemmt. Auch wenn die Welt nach dieser COP noch immer weit entfernt vom Einhalten des 1,5 Grad-Limits ist, ist es zumindest gelungen, den Pfad dahin offen zu halten. Den Aufruf zur beschleunigten globalen Energiewende sollte Deutschland weiter unterstützen mit Länder-Partnerschaften für 100 Prozent Erneuerbare Energien“, fordert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch und Sprecher der Klima-Allianz Deutschland.
"Die Verhandlungen zum Gender Action Plan (GAP), einst in Madrid 2019 als erster großer Schritt zu Geschlechter- und Klimagerechtigkeit gefeiert, blieben weit hinter dringend benötigter Ambition. Anstatt die Gelegenheit zu nutzen, bei der diesjährigen Halbzeitüberprüfung des GAP zu bewerten, wie Finanzen geschlechtergerecht gestaltet werden könnten und Länder bei der Erstellung eines nationalen GAP unterstützt werden könnten, wurde die Bewertung den GAP zu einem bloßen Lippenbekenntnis herabgestuft", kommentiert GenderCC die Ergebnisse der COP27 in Bezug auf den Gender Action Plan.
„Natürlich, es hätte angesichts der Gefahr eines neu aufziehenden kalten Krieges noch deutlich schlimmer kommen können”, meint Klaus Breyer, Leiter des Instituts für Kirche und Gesellschaft der Ev. Kirche von Westfalen und Sprecher der Klima-Allianz Deutschland. „Doch diese Betrachtung hilft nicht wirklich weiter. Auch wenn die Lage angesichts sich überlagernder Krisen komplex und unübersichtlich ist: Es führt kein Weg daran vorbei. Der Frieden muss so schnell wie möglich errungen und das Klima so konsequent wie nur möglich geschützt werden. Dies sind wir den nachwachsenden Generationen schuldig. Noch ist das Zeitfenster nicht vollkommen geschlossen. Die nächsten Klimakonferenzen müssen umso zielgerichteter vorankommen.”
„Für die besonders Betroffenen der Klimakrise ist es nicht akzeptabel, dass keine weiteren Fortschritte hin zu einem 1,5-Grad-kompatiblen Emissionspfad erzielt werden konnten, obwohl ein überwältigender Anteil der Staaten sich zu einer Abkehr von fossilen Rohstoffen bekannt hat. Es ist erschreckend, wie viel Boden die fossile Industrielobby in Scharm El-Scheich gewinnen konnte, deren Aktivitäten nicht nur die Klimakrise anheizen, sondern auch in vielen unserer Partnerländer zu Vertreibungen und Umweltzerstörung führen. Kommende Klimaverhandlungen müssen ihren Auftrag erfüllen können und nicht von fossilen Interessen unterminiert werden. So könnten gute Lösungen für alle wie dezentrale, erneuerbare Energieversorgung wieder über Profitinteressen siegen“, erläutert Anika Schroeder von Misereor.
Die großen Industriestaaten haben auf der COP laut BUND weiter versucht, ihre historische Verantwortung für die Klimakrise abzuwälzen und Gerechtigkeitsaspekte der UN-Konvention zu verleugnen. „Es ist äußerst beunruhigend, dass es kein eindeutiges Bekenntnis zu einem gerechten 1,5-Grad-Pfad und zu dem Ende aller Fossilen gibt. Die EU stellt sich als Klimaretter dar, während auch Deutschland munter weiter in fossile Infrastrukturen weltweit investiert und sich nicht auf einem 1,5-Grad-Pfad befindet“, sagt von Broock (BUND).
„Das von der Präsidentschaft gesetzte Motto ‚together for implementation‘ wurde hier weit verfehlt“, sagt Fentje Jacobsen, WWF-Expertin für internationale Klimapolitik. „Ein guter Schritt ist zwar das vereinbarte Arbeitsprogramm zur Minderung, damit werden bessere Zusammenarbeit sowie Transparenz und Empfehlungen zum Stand der Maßnahmen zum Schließen der Umsetzungslücke verankert. Seitens der ägyptischen Präsidentschaft fehlte es jedoch über die zwei Wochen hinweg an Integrationskraft, Transparenz und Willen, um hier auf den Ergebnissen von Glasgow aufbauend einen Beschluss zu bekommen, der die Weltgemeinschaft auf den 1,5-Grad-Pfad führt und einen deutlichen Schritt weg von fossilen Energieträgern vereinbart. Mangelnde Transparenz der Präsidentschaft galt hier vor Ort insbesondere auch im Hinblick auf Menschenrechte und Meinungsfreiheit.”
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), kommentiert die Abschlusserklärung der COP27 wie folgt: „Der Weltklimagipfel hat nicht mehr als einen ungenügenden Formelkompromiss zustande gebracht und lässt den Planeten so weiter auf der schiefen Bahn in die Klimakrise abgleiten. In der Abschlusserklärung wurde der Ausstieg aus fossilem Erdöl und Gas vollkommen ausgeklammert. Mitschuld daran trägt auch die deutsche Bundesregierung mit ihrem Beharren auf den von Kanzler Scholz persönlich eingefädelten Erdgas-Deal mit dem afrikanischen Senegal. Und auch die dringend notwendige Anhebung der größtenteils unzulänglichen Klimapläne aller Staaten, wurde auf die Folgekonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten im kommenden Jahr verschoben. Damit geht wieder einmal wertvolle Zeit verloren. Zeit, die die Menschen und die Natur, die schon heute konkret unter den Folgen der Klimakrise leiden, nicht haben. Und obwohl das 1,5-Grad-Ziel auf der Konferenz bekräftigt wurde, fehlt von konkreten Taten erneut jede Spur. Auch die EU hat mit ihrer unverbindlichen Ankündigung, das eigene Ziel zur Treibhausgasreduktion bis 2030 von 55 auf 57 Prozent anzuheben, nur einen Trippelschritt zu einem angemessenen Beitrag Europas zur Klimagerechtigkeit getan. Um dem mangelnden politischen Willen entgegenzuwirken und um weitere fossile Abhängigkeiten zu verhindern, haben wir gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren aus Deutschland und dem Senegal die ‚Senegal-Germany People‘s Alliance for Climate Justice‘ mitgegründet. Das senegalesische Gasabkommen muss gestoppt werden – für eine klimagerechte Zukunft!“