Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die zentrale Frage: Wie kann zivilgesellschaftliches Engagement in Nordrhein-Westfalen und bundesweit auch unter veränderten politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wirksam bleiben – und sogar wachsen?
Es wurde deutlich: Die Herausforderungen sind groß – doch das Potenzial zivilgesellschaftlicher Kraft ebenso. Die Veranstaltung bot Raum für strategischen Austausch, neue Impulse und das gemeinsame Nachdenken über Bündnisse, Narrative und Strukturen.
Rückblick: Euphorie und Erfolge
Zum Auftakt blickten Linus Platzer (NABU NRW), Stefanie Langkamp (Klima-Allianz Deutschland) und Antje Grothus (MdL, Bündnis 90/Die Grünen) auf prägende Jahre zivilgesellschaftlichen Engagements in NRW zurück. Von ersten Protesten gegen den Kohleabbau über die öffentliche Debatte zum Kohleausstieg bis hin zur politischen Wirkung von Umwelt- und Klimabündnissen – das Engagement war kraftvoll, sichtbar und wirksam.
Linus Platzer schilderte, wie Anti-Kohle-Bündnisse über Jahre hinweg politischen Druck aufgebaut und Veränderungen auf Landes- und Bundesebene mit angestoßen haben. Die Euphorie dieser Jahre sei auch dadurch entstanden, dass der Protest gesellschaftlich breite Unterstützung und Einzug in den gesellschaftlichen Mainstream fand. Antje Grothus ergänzt wie Bündnisbildung, solidarische Vielfalt und kreative Aktionsformen zum Erfolg geführt haben. Sie verwies auch auf die Rolle der Klima-Allianz Deutschland, die früh das strategische Potenzial NRWs erkannt und die verschiedenen Bündnispartner erfolgreich koordinieren konnte.
Nach den Erfolgen wurde aber deutlich, dass sich die Bewegung weiterentwickeln musste: Der strategische Fokus vieler Gruppen hat sich verändert und durch einen fehlenden Zukunftsblick wurde es teilweise schwieriger an den politischen Verhandlungstisch geholt zu werden.
Ehrlichmachen: Herausforderungen der Zivilgesellschaft anerkennen
Angesichts gesellschaftlicher Polarisierung, multipler Krisen und demokratiefeindlicher Tendenzen hat Christoph Bals (Germanwatch) zur Debatte gestellt, wie zivilgesellschaftliche Bündnisse weiterhin wirksam bleiben können. Eine zentrale Frage ist, wieso viele zentrale gesellschaftliche Gruppen – etwa Menschen mit Migrationsgeschichte, Beschäftigte in systemrelevanten Berufen oder junge Menschen außerhalb akademischer Milieus – von zivilgesellschaftlichen Initiativen bislang kaum erreicht werden. Ein hohes Potenzial sahen die Teilnehmenden darin, glaubwürdige und lebensnahe Erzählungen mit positiven Zukunftsvisionen zu verknüpfen. Es brauche niedrigschwellige Angebote, neue Beteiligungsformate und eine gezielte Koordination von Ortsgruppen und kommunaler Arbeit mit bundesweiten Allianzen.
Engagement: Wie wir die Zukunft gestalten
Neben der Diskussion zu den Herausforderungen von zivilgesellschaftlichem Engagement konnten während der Themenwerkstatt Engagement drei aktuelle Projekte aus der Region vorgestellt werden. Gemeinsam mit den Teilnehmenden wurde identifiziert, was die Projekte erfolgreich und anknüpfungsfähig macht und welche Zukunftsvision sie zeichnen.
Thea Jacobs von der Evangelischen Akademie Villigst präsentierte die Zertifikatschulung Transformationsdesigner*in. Das Programm qualifiziert junge Menschen dazu, Strukturwandelprozesse aktiv mitzugestalten. Eine Herausforderung: Viele Absolvent*innen bleiben zunächst Einzelpersonen. Die Diskussion drehte sich darum, wie sich aus individueller Qualifikation kollektive Wirksamkeit entwickeln lässt – und wie neue Zielgruppen wie Auszubildende oder bislang klimaferne Jugendliche besser erreicht werden können.
Linus Platzer berichtete vom Projekt MUT ZuR NatuRR und dem Netzwerk Revier WIRd. Die Initiative zeigt beispielhaft, wie durch kluge zivilgesellschaftliche Bündnisse Einfluss auf Planungsprozesse und politische Entscheidungen im Bereich Natur- und Klimaschutz genommen werden kann. Der Erfolg: eine starke regionale Verankerung und der Brückenschlag zwischen klassischen Umweltorganisationen und neuen lokalen Akteur*innen.
Sarah Mewes stellte das Projekt Team soziale Klimawende vor. Hier engagieren sich Gewerkschaftsmitglieder für eine sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Industrie. Die Diskussion zeigte, wie wichtig es ist, gewerkschaftliches Engagement als integralen Bestandteil der Klimabewegung zu denken – und strategisch zu fördern.
Wandel durch Zivilgesellschaft – Zivilgesellschaft im Wandel
Am Abend rundete eine Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung, Jugendverbänden und Umweltorganisationen den Tag ab. Antje Grothus eröffnete mit Blick auf die Ergebnisse der Tagung: Zivilgesellschaftliches Engagement muss sich über soziale Grenzen hinweg verbinden und neue neue Formen der Zusammenarbeit finden. Sie muss aber auch als gleichberechtigter Teil der Innovationsgemeinschaft verstanden werden.
Viktor Haase (Staatssekretär, NRW-Umweltministerium), Bodo Middeldorf (Zukunftsagentur Rheinisches Revier), Maja Tölke (Landesjugendring NRW) und Christoph Bals diskutierten im Anschluss, wie Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft künftig noch besser zusammenwirken können. Deutlich wurde: Die Zivilgesellschaft ist ein zentraler Akteur für Klimaschutz und Demokratie – aber sie braucht Räume, Ressourcen und politische Zugänge, um ihre Wirkung zu entfalten. Auch in dieser Diskussion wurde betont, dass die Vielfalt der Gesellschaft und insbesondere junge Menschen Teil der Transformationsprozesse sein müssen. Zivilgesellschaft und Politik dürfen sich dabei nicht (nur) als Gegenspieler, sondern auch als Partner für eine nachhaltige Zukunft verstehen.
Impressionen der Paneldiskussion: