13.12.2023
News von Klima-Allianz

Jahresrückblick 2023 nationale Klimapolitik: Wo bleibt die Fortschrittskoalition beim Klimaschutz?

2023 war in vielerlei Hinsicht ein herausforderndes Jahr. Im Bereich der nationalen Klimapolitik hat die Ampel einige wichtige Projekte angestoßen – und doch stellen wir ernüchtert fest, dass Deutschland noch lange nicht auf Klimakurs ist, schreibt Julia Schade, Referentin für Nationale Klimapolitik der Klima-Allianz Deutschland.

Klimapolitisch fühlt sich 2023 wie ein Rückschritt an. Die Ampel hat auch in diesem Jahr wieder kein Klimaschutzprogramm vorgelegt, mit dem Deutschland die Klimaziele bis 2030 und darüber hinaus sicher erreicht. Der anhaltende Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Inflation und die hohen Zugewinne der AfD bei den diesjährigen Landtagswahlen haben es der Ampel sicher nicht leicht gemacht. Doch die Klimakrise kennt keinen Pausenknopf. Das haben wir auch in diesem Jahr durch die zahlreichen Extremwetterereignisse in allen Teilen der Erde wieder deutlich zu spüren bekommen. Dabei leiden vor allem benachteiligte Gruppen. Älteren, Kindern und Menschen mit Vorerkrankungen macht die zunehmende Erderhitzung am meisten zu schaffen. Hinzu kommt, dass Arbeitsplätze in von der Klimakrise besonders betroffenen Bereichen, wie etwa der Landwirtschaft, durch Ernteausfälle zunehmend gefährdet sind. Es ist ganz klar: Aus sozialer Sicht ist die Einhaltung der nationalen Klimaziele unabdingbar. 

Wie in den Vorjahren wurde vor allem in den Problemsektoren Verkehr und Gebäude zu viel emittiert. Doch statt nun endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen, arbeitet die Ampel auf Drängen der FDP derzeit an einer deutlichen Abschwächung des Klimaschutzgesetzes. Es droht eine faktische Abschaffung der Sektorziele, welche bisher bei Zielverfehlungen klare Verantwortlichkeiten der Ministerien aufzeigten. Damit will die Regierung kaschieren, dass Verkehrsminister Volker Wissing seine Arbeit verweigert. Denn Expert*innen sind sich einig: Die Reformvorschläge sind verfassungsrechtlich ausgesprochen problematisch. Setzt die Ampel die Reform unseres wichtigsten Klimarahmengesetzes wie geplant um, wird die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Klimaziele deutlich erschwert. Damit gefährdet die Bundesregierung die natürlichen Lebensgrundlagen künftiger Generationen. Mit zahlreichen Appellen, Briefen und Vorschlägen aus einer von uns in Auftrag gegebenen Studie haben wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern der Regierung immer wieder vor Augen geführt, dass ein starkes Gesetz mit verbindlichen Sektorzielen und effektiven Sanktionsmechanismen notwendig ist – und wir werden laut bleiben. 

Stichwort Problemsektoren: Der Klimaschutz im Verkehr ist wieder einmal auf der Straße liegengeblieben. Zwar sind einzelne Projekte wie die LKW-Maut, 49-Euro-Ticket und langerwartete Schieneninvestitionen von der Ampel umgesetzt worden. Doch das FDP-geführte Verkehrsministerium blockiert weiterhin eine sozial-ökologische Verkehrswende. Es fehlen notwendige finanzielle und gesetzliche Zusagen zum Beispiel im Straßenverkehrsgesetz oder der Bundesverkehrswegeplanung. Dabei müssen die Schiene und eine langfristige kommunale ÖPNV-Finanzierung klar priorisiert werden.

Von Fortschritt war auch beim Beschluss des Gebäudeenergiegesetzes wenig zu spüren: Die Ampel läutete damit nicht wie geplant die Klimaneutralität im Gebäudesektor ein – stattdessen baute sie zahlreiche Ausnahmen und lange Umsetzungsfristen ins Gesetz ein. Die populistische Meinungsmache und Fake News rund um das Gesetz haben nicht nur die dringend notwendige Wärmewende verschoben, sondern auch der Demokratie geschadet. Statt die Menschen für die notwendige Modernisierung ihrer Heizungssysteme zu begeistern, wurde Verunsicherung geschürt. Wir brauchen jetzt einen Paradigmenwechsel in der Regierung: Denn mit zielgerichteter, sozial-gerechter Förderung und klarer Kommunikation ist die Wärmewende machbar. 

Einer der wichtigsten Eckpfeiler für einen gelungenen Umbau hin zu einer gerechten und ökologischen Gesellschaft ist das Klimageld. Denn nur in Kombination mit einem Klimageld kann der CO2-Preis zu einem effektiven und sozial gerechten Instrument weiterentwickelt werden: Einkommensarme Haushalte können aufgrund ihres geringen CO2-Fußabdrucks stärker entlastet werden als obere Einkommensgruppen, ohne dabei die klimapolitische Lenkungswirkung des CO2-Preises einzuschränken. Die Regierung hat sich bereits im Koalitionsvertrag auf die Einführung des Klimagelds geeinigt. Wir fordern, dass sie dieses Versprechen nun schnellstmöglich umsetzt. Besonders mit Blick auf die Einführung des europäischen Emissionshandels für Gebäude und Verkehr (EU-ETS2), der ab 2027 die deutsche CO2-Bepreisung ersetzen wird, ist das wichtig. Expert*innen erwarten dann sprunghafte Preisanstiege. Nur mit dem Klimageld kann ein wirksamer sozialer Ausgleich hergestellt und die gesellschaftliche Akzeptanz für den CO2-Preis gefördert werden. 

In der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie hat sich die Bundesregierung nun einen beschleunigten Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft vorgenommen. Das ist wichtig, denn zur Dekarbonisierung der Industrie benötigt es grünen Wasserstoff auf Basis zusätzlicher erneuerbarer Energien. Leider fand jedoch auch fossiles Erdgas in Gestalt von blauem Wasserstoff Eingang in die Strategie und es steht noch aus, ob ausreichend strikte Nachhaltigkeitskriterien an Wasserstoffimporte angelegt werden. Auch in diesem Bereich verfehlte die Regierung also ihre Chance, ein klares Zeichen für Klimaschutz zu setzen. 

Und das Jahr endet mit einem Knall: Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass die Umwidmung der Corona-Gelder für den Klima- und Transformationsfonds nicht verfassungskonform war. Das vergrößert das Haushaltsloch für Investitionen in sozial gerechte Klimaschutzmaßnahmen erheblich. Es ist spätestens jetzt dringend an der Zeit, klimaschädliche Subventionen wie das Dienstwagenprivileg oder die Pendlerpauschale abzuschaffen, um Gelder für die sozial-ökologische Transformation freizumachen. Gleichzeitig fordern wir eine ernsthafte Debatte über die Reform der Schuldenbremse sowie über die höhere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen. Zur Lösung der Klimakrise brauchen wir einen handlungsfähigen Staat, der Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz und soziale Sicherheit auf den Weg bringt. 

Gemeinsam konnten wir als breites zivilgesellschaftliche Bündnis aus allen Bereichen der Gesellschaft an vielen Stellen das Schlimmste verhindern. Doch das kann nicht der Anspruch der selbsternannten Fortschrittskoalition sein – sie muss in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode einen Sprint hinlegen und ihre Klimaversprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen. Fossile Abhängigkeiten müssen reduziert und sozial gerechte Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren auf den Weg gebracht werden, damit wir unsere Klimaziele sicher einhalten. Gemeinsam mit unseren Mitgliedern und Partner*innen werden wir genau dafür immer wieder Lösungsansätze entwickeln, Gespräche führen und auf die Straße gehen. 

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Julia Schade

Referentin Nationale Klimapolitik
Klima-Allianz Deutschland e.V.

030/780 899 520
julia.schade@klima-allianz.de