27.08.2019
Pressemitteilungen

Kohlekraftwerke bleiben schmutzig: EU-Abgasstandards zügig und ambitioniert in deutsches Recht umsetzen

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Klima-Allianz Deutschland fordern die Bundesregierung auf, die neuen europäischen Abgasstandards für Kohlekraftwerke umgehend und ambitioniert in deutsches Recht umzusetzen. Laut eines Rechtsgutachtens ist es Aufgabe der Bundesregierung, die Emissionen von Kohlekraftwerken gemäß den EU-Vorgaben zu senken.

Ausnahmen für bestimmte Kraftwerksanlagen, um von den Grenzwerten abzuweichen, dürften laut Gutachten nicht abstrakt-generell erteilt werden. Am 17. August ist die gesetzliche Umsetzungsfrist der europäischen Regelung seit einem Jahr verstrichen.

Malte Hentschke, stellvertretender Geschäftsführer der Klima-Allianz Deutschland, erklärt: „Kohlemeiler stoßen nach wie vor zu viele Stickoxide aus und gefährden so Mensch und Umwelt. Die neuen europäischen Vorschriften zur Luftreinhaltung bieten die Chance, den Ausstoß giftiger Schadstoffe zu senken. Dabei gilt: Die Gesundheit geht vor. Abstrakt-generelle Ausnahmen für besonders schmutzige Kraftwerke darf es nicht geben. Der Kohleausstieg steht vor der Tür. Die Bundesregierung sollte jetzt mit der Umsetzung der EU-Vorgaben loslegen und strengere Grenzwerte für Kohlekraftwerke auf den Weg bringen.“                                                                                                                                       

Cornelia Nicklas, Leiterin Recht der DUH, konstatiert: „Die Frist für die Umsetzung der EU-Emissionsstandards in deutsches Recht soll den Vollzugsbehörden und den betroffenen Anlagenbetreibern ausreichend Zeit geben, um erforderliche Anpassungen vorzunehmen.  Sollte sich die – längst fällige – Umsetzung weiter verzögern, wären insbesondere die Vollzugsbehörden in den Ländern mit erheblicher Rechtsunsicherheit und deutlich höherem Verwaltungsaufwand konfrontiert. Die Bundesregierung muss deshalb jetzt tätig werden.“

Laut eines von DUH und Klima-Allianz Deutschland in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens ist die Bundesregierung gefordert, die Emissionen von Kohlekraftwerken gemäß den EU-Vorgaben zu senken. Die Rechtsanwältin und Autorin des Gutachtens, Roda Verheyen, stellt in ihrem Gutachten fest, dass sich der Gestaltungsspielraum der Bundesregierung bei der Festlegung der Grenzwerte für Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen an umweltqualitativen Anforderungen zu orientieren hat. Die Bundesregierung müsse sich demnach unter anderem auch an den Vorgaben aus der Luftqualitätsrichtlinie der EU orientieren. Diese Anforderungen legten nahe, Grenzwerte am unteren Rand der Bandbreite festzulegen.

Verheyen bekräftigt: „Der deutsche Gesetzgeber muss – unter Einhaltung von Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen im Rahmen des Verordnungsermessens – durch die Umsetzung der europäischen Standards dazu beitragen, dass die Stickstoffoxidbelastung aus dem Kraftwerkssektor in Deutschland substanziell reduziert wird.“

Eine klare Absage erteilt Verheyen abstrakt-generellen Ausnahmen von der Einhaltung der Werte für eine bestimmte Anlagenart in der Verordnung selbst. Verheyen dazu: „Solche Ausnahmeregelungen sind europarechtlich voraussichtlich unzulässig. Dies legt bereits der Wortlaut der entsprechenden europarechtlichen Ausnahmeregelung nahe.“ Verheyen hält abstrakt-generelle Ausnahmen des Weiteren auch tatbestandlich für schwer vorstellbar. Möglich seien indes Ausnahmen für einzelne Kraftwerke, die im Wege einer Einzelfallentscheidung der Behörde auf Antrag des Anlagenbetreibers festgelegt werden könnten.

Die Stein- und Braunkohlekraftwerke müssen die Standards ab August 2021 einhalten. Dies bedeutet vor allem für Braunkohlekraftwerke gegebenenfalls eine aufwendige Nachrüstung. Die DUH kündigt an, für einzelne Kraftwerksstandorte an die zuständigen Behörden heranzutreten und sie zum Erlass entsprechender nachträglicher Anordnungen aufzufordern, mit denen die Kraftwerksbetreiber verpflichtet werden sollen, bestimmte Grenzwerte einzuhalten.

Wenn Braunkohlekraftwerke im Zuge des Kohleausstiegs noch mehrere Jahre laufen sollen, sollte ein Katalysator eingebaut werden, mit dem ein NOx-Grenzwert von 85 mg/Nm3 eingehalten werden kann. Braunkohlekraftwerke, die bis zum 1. Januar 2022 stillgelegt werden, sollten 175 mg NOx/Nm3 einhalten und Kraftwerke, deren Stilllegung bis 1. Januar 2026 erfolgt, 150 mg NOx/Nm3.

Hintergrund:

Das Rechtsgutachten nimmt Bezug auf eine Studie von Ökopol, die für große Stein- und Braunkohlekraftwerke ab einer thermischen Leistung von 300 Megawatt die Einführung eines NOx-Grenzwertes im Jahresmittel von höchstens 85 mg/Nm³ vorschlägt. Laut der Analyse emittieren die deutschen Kraftwerke aktuell zwischen 60 und 200 mg NOx/Nm3 im Jahresmittel.
Der Energiesektor trägt nach dem Verkehr am stärksten zur Belastung der Luft mit dem für Mensch und Umwelt giftigen NOx bei. Seit 20 Jahren verursacht er gleichbleibend etwa ein Viertel der NOx-Belastung in Deutschland. Allein die acht größten Braunkohlekraftwerke sind verantwortlich für acht Prozent des NOx-Schadstoffausstoßes in Deutschland. Die Weltgesundheitsorganisation stuft Feinstaub, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid und bodennahes Ozon als die Luftschadstoffe ein, die für die menschliche Gesundheit am schädlichsten sind.

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Julia Riley-Dittmann

Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Klima-Allianz Deutschland

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