01.11.2022
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Deutschland fördert weiterhin massiv fossile Energien im Ausland

Ein am 01. November 2022 von Oil Change International (OCI) und Friends of the Earth U.S. gemeinsam u.a. mit den deutschen Umweltorganisationen urgewald, Germanwatch und New Climate Institute veröffentlichter Bericht zeigt: Zwischen 2019 und 2021 hat Deutschland jährlich im Schnitt 2,8 Mrd. USD an öffentlichen Bürgschaften und Krediten für fossile Energien im Ausland vergeben. Im Vergleich: Im selben Zeitraum hat Deutschland durchschnittlich 2,2 Mrd. USD pro Jahr für saubere Energie international zur Verfügung gestellt.

Der neue NGO-Bericht erscheint zwei Tage vor dem Gipfel „Exportfinanzierung für die Zukunft“ (3. November, Ort: Bundeswirtschaftsministerium/Berlin). Unter deutschem Vorsitz werden hier europäische Länder über die Klimaausrichtung ihrer Exportfinanzierung diskutieren. Der Gipfel findet damit nur zwei Monate vor dem auf der COP26 in einem breiten Bündnis vereinbarten Zeitpunkt für das Ende der direkten öffentlichen Finanzierung internationaler fossiler Energieprojekte statt (31.12.2022). 

Auch Deutschland hatte sich letztes Jahr diesem sogenannten „Glasgow Public Finance Statement“ angeschlossen. Die heute vorgelegten Daten von OCI und Partnern unterstreichen die Bedeutung der Zusage. Denn sie zeigen, dass Deutschland zwischen 2019 und 2021 der siebtgrößte öffentliche Geldgeber für fossile Brennstoffe in der Welt war. Damit liegt Deutschland im Ranking vor Saudi-Arabien (Platz 8) und Russland (Platz 9).

Hierbei stammt die internationale fossile Förderung durch Deutschland aus verschiedenen Quellen, darunter die von Allianz Trade (ehemals Euler Hermes) gemanagten Hermes Bürgschaften sowie die Finanzierungen durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Der neue Bericht zeigt, dass im Untersuchungszeitraum allein Hermes Bürgschaften über rund 2 Mrd. USD im Jahresdurchschnitt für fossile Energien vergeben wurden. Damit war Allianz Trade 2019 bis 2021 ein wichtigerer fossiler Förderer als das amerikanische Pendant, die United States Export-Import Bank (US Ex-Im).

Der neue NGO-Bericht zeigt auch, dass Deutschland bei der Umsetzung des Glasgow Public Finance Statements hinter anderen Ländern zurückbleibt. Denn insbesondere das Vereinigte Königreich, Frankreich, Dänemark, Schweden und Finnland haben bereits Maßnahmen zur Umsetzung ihrer Verpflichtungen veröffentlicht. Sie haben unter anderem ein umfassendes Verbot der internationalen öffentlichen Förderung von Gas im Upstream- und Midstream-Bereich, einschließlich LNG, beschlossen. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass sich Bundeskanzler Scholz und das Kanzleramt öffentlich unter anderem für die weitere Förderung der Exploration und Erschließung von Gasfeldern vor Senegal und Mauretanien nun einsetzen. Dies steht im Widerspruch zu dem, was Deutschland im Rahmen des Glasgow Public Finance Statement zugesagt hat. Zudem: Beim G7-Gipfel im Sommer beeinflusste die deutsche Regierung die Abschlusserklärung, um die hierin enthaltenen, der Glasgow-Zusage ähnelnden Verpflichtungen im Namen der Energiesicherheit und mit Blick auf fossiles Gas aufzuweichen.

Die Autoren des neuen NGO-Berichtes betonen: Die öffentliche Finanzierung fossiler Energien ist eine der Hauptursachen für die Klimakrise. Staatlich unterstützte Finanzierungen tragen dazu bei, das Risiko von fossilen Projekten zu verringern, was Investitionen für private Geldgeber attraktiver macht. In saubere Energie umgelenkt könnte diese öffentliche Unterstützung die internationale Energiewende beschleunigen, die globale Lebenshaltungskostenkrise lindern und die weltweite Abhängigkeit von fossilem Gas verringern. Konkret kommt der Bericht zu dem Ergebnis: Wenn alle G20-Länder und Multilateralen Entwicklungsbanken ihre internationale Unterstützung von fossilen Energieträgern vollständig auf saubere Energie verlagern würden, könnte dies im Jahresdurchschnitt 85 Mrd. USD für die globale Energiewende bedeuten, was fast eine Verdreifachung zum Status Quo wäre. Um dies zu erreichen, müssten allerdings neben Kanada, USA, Deutschland und Italien auch andere große G20-Länder wie Japan, Südkorea und China mitziehen.

Mit Blick auf die in wenigen Tagen beginnende COP27 in Ägypten - und auch gerichtet an die deutsche Delegation - unterstreichen die NGOs: Laut Internationaler Energieagentur (IEA) darf es für die Einhaltung des 1,5-Gradzieles bereits seit Ende des letzten Jahres keine weitere fossile Expansion und damit auch keine entsprechende öffentliche Finanzierung mehr geben. Zudem: Die öffentliche Finanzierung fossiler Brennstoffe untergräbt die Wirksamkeit der sogenannten „Klimafinanzierung“, die immer noch nicht in dem von den reichen Ländern versprochenen Umfang (100 Mrd. USD pro Jahr ab 2020) – geschweige denn tatsächlich erforderlichen Umfang – bereitgestellt wird. Des Weiteren konterkariert die öffentliche Finanzierung fossiler Energien die Unterstützung für Schäden (Loss and Damage) und einen nötigen Schuldenerlass, der für das Überleben von Ländern und Gemeinschaften insbesondere im globalen Süden mittlerweile entscheidend ist.

Regine Richter, Energie- und Finanzkampaignerin bei urgewald:
„Jetzt Gasinfrastruktur im Ausland zu fördern, löst nicht die potenziellen Energiesicherheitsprobleme der kommenden zwei Winter in Deutschland. Stattdessen wird die Klimakrise beschleunigt. Wenn Deutschland beim Ende der öffentlichen Förderung fossiler Energien im Ausland nicht substantiell liefert, ist es ein schlechtes Vorbild für andere Nachzügler wie Italien. Auch der Kanzler muss deshalb über seinen Schatten springen und dem eindeutigen Ausschluss von Krediten und Bürgschaften für fossile Energien zustimmen.“

Aki Kachi, Senior Climate Finance Policy Analyst beim New Climate Institute:
„Gerade in Anbetracht der aktuellen Energiekrise in Deutschland ist es wichtig, andere Länder dabei zu unterstützen, die deutschen Fehler zu vermeiden, die die Anfälligkeit des Landes verschlimmert haben. Das bedeutet, die Energiesicherheit durch erneuerbare Energien und nicht durch die künftige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu erhöhen. Deutschland muss die Erklärung von Glasgow ehrgeizig umsetzen, anstatt nach Schlupflöchern zu suchen.“

David Ryfisch, Teamleiter Internationale Klimapolitik bei Germanwatch:
„Das derzeitige Zögern Deutschlands, die Finanzierung fossiler Brennstoffe im Ausland zu beenden, ist kurzsichtig. Es ist egoistisch für deutsche Energiesicherheitsinteressen andere Länder auf Jahre an die Nutzung fossiler Energien zu binden und sie auf unnötig hohen Emissionen und potenziellen ‚Stranded Assets‘ sitzen zu lassen. Deutschland muss sich an seine internationalen Verpflichtungen halten, vorrangig in erneuerbare Energien investieren und die Unterstützung für fossile Brennstoffe so schnell wie möglich beenden."

Adam McGibbon, Stratege für öffentliche Finanzen bei Oil Change International:
„Olaf Scholz kann auf der COP27 entweder als Vorreiter oder als Nachzügler auftreten. Er kann Maßnahmen ergreifen, um Deutschlands Versprechen einzuhalten und die öffentliche Unterstützung von internationalen fossilen Projekten bis zum 31. Dezember beenden. Aber wenn er auf der COP27 mit einem Regelwerk voller ‚Gasschlupflöcher‘ auftaucht, dann ist jeder Anspruch auf eine Führungsrolle im Klimaschutz dahin.“

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Christoph Bals

Politischer Geschäftsführer

Germanwatch

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