17.02.2022
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Die Verkehrswende gerecht gestalten

Die Verkehrswende ermöglicht eine klima- und umweltschonende Mobilität und verbessert die Lebensqualität in unseren Städten und Gemeinden. Wofür sich der VCD seit Jahren einsetzt, ist mittlerweile in weiten Teilen von Politik und Gesellschaft Konsens. Wenn sie richtig ausgestaltet ist, kann die Verkehrswende aber auch einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit in Deutschland leisten. Deshalb hat der VCD die „sozial gerechte Verkehrswende“ zu seinem Schwerpunktthema für das Jahr 2022 gemacht.

Mobilitätsgerechtigkeit bedeutet, allen Menschen – unabhängig von Alter, Geschlecht, ökonomischem Status, Herkunft, Lebenssituation, Wohnort, körperlichen Einschränkungen und Verfügbarkeit eines Autos – eine angemessene, alltagstaugliche Mobilität zu ermöglichen. Derzeit verbilligt der Staat mit der niedrigen Besteuerung von Dieselkraftstoffen und Dienstwagen sowie der Kaufprämie für E-Autos vor allem das Autofahren. Was gut gemeint ist – das Auto für breite Schichten erschwinglich zu machen –, führt zu verstopften Straßen, ist umwelt- und klimaschädlich, kostet den Staat Milliarden und nutzt wohlhabenden Menschen überproportional.

An vielen Menschen gehen die Auto-Subventionen komplett vorbei: an Schüler*innen, die zu jung sind für den Führerschein, an Student*innen, alleinerziehenden Eltern oder Menschen ohne Arbeit, die sich trotz staatlicher Vergünstigungen keine Autos leisten können, sowie an Menschen, die aufgrund ihres Alters oder einer Behinderung nicht in der Lage sind, Auto zu fahren.

Ein Bundesmobilitätsgesetz
All diese Menschen legen ihre täglichen Wege mit Bus und Bahn, dem Fahrrad, ihren Füßen oder mit dem Rollstuhl zurück. Ihnen hilft eine konsequente Abkehr von der autozentrierten Verkehrs­planung, die Flächen umverteilt und für sichere, komfortable, barrierefreie Rad- und Fußwege sorgt. Und sie brauchen einen modernen, kostengünstigen ÖPNV statt der Subventionierung des Autoverkehrs. „Der ÖPNV muss für alle bezahlbar sein, vor allem für Haushalte mit geringem Einkommen. Dafür braucht es Sozialtickets, die nicht teurer sind als die 40 Euro pro Monat für Verkehr, die im Regelbedarf des Sozialgesetzbuchs II vorgesehen sind“, sagt Michael Müller-Görnert, Verkehrspolitischer Sprecher des VCD.

Der VCD hat am 10. Februar den Entwurf für ein Bundesmobilitätsgesetz (BuMoG) vorgelegt und setzt sich bei Bundespolitiker*innen dafür ein, eine entsprechende Gesetzes­initiative zu ergreifen. Das BuMoG soll als eine Art Grundgesetz für Mobilität unter anderem dafür sorgen, dass bei der Planung und Umsetzung von Verkehrsprojekten zukünftig Klimaziele, Umweltbelastung und die Bedürfnisse von älteren Menschen, Kindern, Menschen mit Handicap oder mit geringem Einkommen stärker berücksichtigt werden.

Mobilitätsgarantie fürs Land
Vor allem in ländlichen Regionen ist das ÖPNV-Angebot meist dünn. Hier sind heute viele Menschen auf das Auto angewiesen. Wenn der Bus beispielsweise nur einmal pro Stunde und nur zwischen 7 und 22 Uhr fährt, schafft es der Krankenpfleger, der vom Dorf ins 15 Kilometer entfernten Kreiskrankenhaus zur Frühschicht fahren muss, nicht rechtzeitig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Dienst. Wer zur Abendvorstellung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Kino in der Nachbarstadt fährt, der kommt danach nicht zurück nach Hause.

Mit dem Fahrrad zu fahren ist ebenfalls keine Alternative, wenn es kein zusammenhängendes, überörtliches Radverkehrsnetz gibt und die Strecke durch den finsteren Wald oder entlang einer viel befahrenen Landstraße führt. Doch die Antwort auf diese Herausforderungen kann im Jahr 2022 und vor dem Hintergrund der Klimakrise nicht lauten: Wir machen das Autofahren billiger. Stattdessen muss der öffentliche Verkehr Mobilität garantieren.

Der VCD setzt sich für eine solche Mobilitätsgarantie ein, die es allen Menschen ermöglicht, ohne eigenes Auto unterwegs zu sein. Grundlage dafür ist ein gut ausgebautes, barrierefreies, bezahlbares, leicht verständliches ­ÖPNV-Angebot, und zwar auch auf dem Land: „Alle Orte mit über 200 Einwohner*innen müssen mindestens im Stundentakt, auch abends und am Wochenende, durch klassischen ÖPNV oder On-Demand-Angebote erreichbar sein“, sagt die VCD-Bundesvorsitzende Kerstin Haarmann. Mit dem Auf- und Ausbau des Nahverkehrsangebotes durch ÖPNV und Sharing-Dienste entsteht eine echte Alternative zur bislang erforderlichen Pkw-Nutzung. So kann die Verkehrswende auch die Teilhabe von Menschen, die ohne Auto auf dem Land leben, gewährleisten.

Neben dem ungleichen Zugang zu Mobilitätsangeboten gibt es noch eine zweite Form der Ungerechtigkeit, die eine Folge des Verkehrs ist. „Menschen, die selbst kein Auto haben, leiden am stärksten unter dem Autoverkehr der anderen. Wer nur eine niedrige Miete zahlen kann, wohnt häufig an großen, verkehrsreichen Straßen, an denen die Belastung durch Lärm und Abgase hoch ist“, sagt Kerstin Haarmann. Auch diese Form der Ungerechtigkeit kann eine Verkehrswende, die Mobilität mit Bus, Bahn, Fahrrad und Füßen in den Mittelpunkt stellt, reduzieren.

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Claudia Bröckerhoff

Verkehrsclub Deutschland e.V.
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