24.08.2023
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Expertenrat für Klimafragen und Klima-Projektionsbericht: Mitglieder der Klima-Allianz Deutschland fordern Rückkehr auf Klimaschutz-Pfad und Ende der Verhinderungs-Politik

Der Expertenrat für Klimafragen hat am Dienstag bestätigt: Die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung bei Weitem nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen. Zeitgleich veröffentlichte das Umweltbundesamt den Klima-Projektionsbericht der Bundesregierung. Mitglieder der Klima-Allianz Deutschland kommentieren beides.

Dem Klima-Projektionsbericht zufolge wird Deutschland bis 2030 lediglich 63 statt 65 Prozent seiner Treibhausgase (gegenüber 1990) einsparen. Es bleibt eine Lücke von 331 Millionen Tonnen Treibhausgasen, die auch mit allen weiteren, bereits geplanten Maßnahmen nur auf 194 Millionen Tonnen reduziert werden kann. Auch das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 wird in allen Szenarien des Projektionsberichts verfehlt. Der Expertenrat erklärte, dass bis 2030 deutlich mehr als 200 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zu viel ausgestoßen werden. Die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats, Brigitte Knopf, forderte ein Gesamtkonzept, ein genaues Monitoring und eine neue Debatte über den Klimaschutz, die mit gesellschaftlichen Konflikten offen umgeht und sozialen Aspekten der Klimapolitik mehr Raum gibt.

Antje von Broock, Geschäftsführerin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), erklärt anlässlich der Stellungnahme des Expertenrates: „Der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung ist in seiner Beurteilung der aktuellen deutschen Klimapolitik deutlich: Es klafft noch eine gewaltige Lücke zwischen Ziel und Wirklichkeit. Mindestens 20 Prozent fehlen noch – unter optimistischen Annahmen. Denn der Endspurt erfordert viel mehr Kraftaufwand als die ersten Meter. Die Ampelregierung muss daher schnell ein belastbares Konzept vorlegen, wie sie die die Klimaschutzziele voll und ganz erreichen will; denn aktuell entspricht dieses Klimaschutzprogramm nicht einmal den Anforderungen des Klimaschutzgesetzes. Dies wird nur gelingen, wenn Deutschland durch Klimaschutz auch sozial gerechter wird. Noch mangelt es aber an Maßnahmen für einen sozial gerechten Umbau. Die breite Zustimmung in der Bevölkerung wird daran hängen, ob Klimaschutz gleichzeitig auch gute Lebensbedingungen erhält.“

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch und Sprecher der Klima-Allianz Deutschland, kritisiert die geplante Abschwächung des Klimaschutzgesetzes: „Das Urteil des Expertenrats ist eindeutig: Die Klimapolitik der Bundesregierung verstößt gegen Recht und Gesetz. Hier ist Führung von Olaf Scholz gefragt. Der Bundeskanzler muss dafür sorgen, dass der fortgesetzte Rechtsbruch beim Klimaschutz durch die gesamte Regierung endlich endet und alle Ministerinnen und Minister das Nötige tun, um die Klimazielerreichung sicherzustellen. Das gilt besonders im Problemsektor Verkehr, aber auch im Gebäudebereich. Der Versuch, durch eine Änderung des Klimaschutzgesetzes Verantwortlichkeiten zu verschleiern und die Klimaziele in andere Sektoren oder folgende Jahre zu verschieben, wird nicht funktionieren. Gerade Letzteres wäre mit dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar. Die Regierung muss sofort einen Plan vorlegen, wie die riesige Lücke zwischen Klimazielerreichung und den bisherigen Anstrengungen geschlossen werden kann. Eine Nachbesserung des Programmes vor Kabinettsbeschluss ist unumgänglich.“

Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland und Sprecherin der Klima-Allianz Deutschland, sagt: „Brände, Dürren, Überschwemmungen: Während wir die Klimakrise weltweit immer extremer zu spüren bekommen, werden in Deutschland die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen für mehr Klimaschutz ins Klein-Klein zersetzt. Das Gebäudeenergiegesetz wurde zerpflückt, die kommunale Wärmeplanung so nachgiebig gestaltet, dass Effekte auf Jahre verzögert werden. Mindeststandards für Häuser auf EU-Ebene könnten als nächstes von der Klimaschutz-Blockade betroffen sein. Die Gebäudewende kommt so deutlich zu langsam. Von der Verkehrswende ist noch nicht einmal etwas zu erahnen. Strukturelle Veränderungen zeigt bislang nur der Energiesektor – auch wenn der Abschied fossiler Energieträger aufgrund der enormen CO2-Volumina hier noch viel schneller kommen muss. Das vorgelegte Klimaschutzprogramm der Bundesregierung mit mehr als 130 Einzelmaßnahmen ist somit nicht mit dem Klimaschutzgesetz vereinbar. Um uns vor den Auswirkungen der Klimakrise zu schützen, brauchen wir jetzt wirksamen und umfassenden Klimaschutz in allen Sektoren. Und darüber muss ein stringentes Gesamtkonzept stehen, mit einem starken Klimaschutzgesetz als Kern!”

Klaus Breyer, Leiter des Instituts für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen und Sprecher der Klima-Allianz Deutschland, sagt mit Blick auf das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung: „Die Klimakrise ist auch bei uns angekommen. 1500 Hitzetote allein in Deutschland und verheerende Brände, Überschwemmungen und Stürme weltweit. Der Klimaschutz duldet kein Zögern mehr. Was die Bundesregierung aber mit ihrem Klimaschutzprogramm vorlegt, ist genau dies. Sie riskiert damit nicht nur den wiederholten Bruch ihres eigenen Klimaschutzgesetzes, sondern gefährdet auch den sozialen Frieden: zwischen der jungen Generation und den Älteren, aber auch zwischen ärmeren und reicheren Teilen der Bevölkerung in Deutschland und nicht zuletzt zwischen den vom Klimawandel besonders stark betroffen Ländern im Globalen Süden und uns im reichen Norden. So geht effektiver und gerechter Klimaschutz eben gerade nicht. Das Klimaschutzprogram muss deutlich nachgeschärft werden!”

Auch Bioland kritisiert das ungenügende Klimaschutzprogramm 2023 der Bundesregierung. Angesichts der dramatischen Faktenlage müsste Deutschland das Tempo beim Klimaschutz deutlich erhöhen, meint Gerald Wehde, Geschäftsleiter Agrarpolitik und Kommunikation bei Bioland. Das Gegenteil sei aber der Fall: „Die Ampel-Regierung entkernt aktuell auf Betreiben der FDP das Klimaschutzgesetz: weg von der Ressortverantwortung, hin zu einer kollektiven Verantwortungslosigkeit der Bundesregierung. Mit dem abgeschwächten Klimaschutzgesetz und einem unzureichenden Klimaschutzprogramm wird die Bundesregierung zum Klima-Bremser. Was wir aber jetzt brauchen, sind Macher.“ Bioland-Präsident Jan Plagge erklärt: „Die Landwirtschaft hat ein elementares Interesse an einer schnellen Senkung der Treibhausgasemissionen. Denn auf den Äckern ist die Klimakrise längst angekommen. Dem muss die Ampel-Koalition mit einer mutigen und entschlossenen Klimapolitik entgegenwirken.“

„Eine zukunftsfähige Energie- und Klimapolitik wurde jahrelang durch vorhergehende Regierungen verschleppt und dabei auch die Wertschöpfung mit dem Bade ausgeschüttet. Die Last der Untätigkeit der letzten Bundesregierungen wiegt schwer und muss nun überkompensiert werden. Deutschland hat als Industrieland eine besondere Verantwortung und als einstiger Vorreiter bei der Energiewende auch das Know-How, die erwarteten Lücken zu schließen”, so Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie e.V. (BEE).

Eine Auswertung des Projektionsberichts durch das NewClimate Insitute im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigt, dass sich der Verkehrssektor weiterhin auf einem desaströsen Kurs zu fast 3-Grad-Erderhitzung befindet. Wenn alle Sektoren und Staaten ihre Emissionsreduktionen im selben Maße verschleppen wie der deutsche Verkehrssektor, erhitzt sich die Erde demnach um 2,8 Grad. „Verkehrsminister Volker Wissing und die gesamte Ampel-Regierung hatten nun zwei Jahre Zeit, um wirksame Klimaschutzmaßnahmen für den Verkehr auf den Weg zu bringen. Passiert ist nahezu nichts. Der Verkehrsminister steuert uns weiterhin Richtung 3-Grad-Klimahölle und pulverisiert Deutschlands Versprechen, das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten“, kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

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Julia Riley-Dittmann

Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Klima-Allianz Deutschland

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