01.12.2016
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Grünbuch Energieeffizienz: Mit politischem Fahrplan milliardenschwere Energiesparpotentiale mobilisieren

Das Bundeswirtschaftsministerium hat mit seinem "Grünbuch Energieeffizienz" einen Dialog für eine langfristige Strategie zur Reduktion des Energieverbrauchs eröffnet. Der BUND hält einen solchen Vorstoß für längst überfällig. Nun gilt es, verbindliche Schritte daraus abzuleiten und diese zügig umzusetzen, fordert die BUND-Energieeffizienz-Expertin Irmela Colaço.

Unter dem Motto "Efficiency First" will das Bundeswirtschaftsministerium Energiespar-Maßnahmen zu mehr Bedeutung in der Energiewende-Politik verhelfen. Denn, so zeigt das Ministerium im Grün­buch auf: Mit einem deutlich geringeren Energieverbrauch wird die Energiewende kostengünst­iger und kann natur- und sozialverträglich umgesetzt werden.

Bis 2050 könnten demnach etwa mehr als 20 Milliarden Euro eingespart werden, da weniger Kraftwerke und Stromleitungen aus­gebaut werden müssten. Allein bis 2020 sei darüber hinaus mit einem Zuwachs von 190.000 Arbeitsplätzen zu rechnen. Die Voraussetzung ist, dass mindestens die Energiespar-Ziele der Bundesregierung erreicht werden und der Energieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent und bis 2050 um die Hälfte sinkt.

Volle Kraft voraus für Energieeffizienz

Von diesen Zielen ist Deutschland weit entfernt. 2014 waren noch nicht einmal die Hälfte der Einsparungen im Energiebereich erzielt, die bis 2020 anvisiert sind. Die daraufhin im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) entwickelten Maßnahmen des Bundeswirtschafts­ministeriums wurden in großen Teilen erst verspätet oder nur mangelhaft umgesetzt. Die angekündigte steuerliche Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen wurde sogar in letzter Sekunde von der großen Koalition gekippt. Ohne weitere Maßnahmen werden dadurch sowohl die nationalen Klimaschutzziele als auch die EU-Vorgaben verfehlt (siehe auch BUNDletter vom 15.09.2016). Die politische Strategie der Stunde muss daher an erster Stelle schnelles und zielgerichtetes Handeln auf den Weg bringen, um den Energieverbrauch in aus­reichendem Maß zu reduzieren.

Das Grünbuch stellt über 20 Fragen, gruppiert um fünf Themen: "Efficiency First", Weiterentwicklung des Instrumentariums, EU-Energieeffizienz-Politik, Sektorkopplung und Digitalisierung. Am 31. Okt­ober endete die öffentliche Konsultation. Ziel des Diskussionsprozesses ist ein Weißbuch, das die langfristige politische Energiespar-Strategie festlegt. Ob dies noch vor der Bundestagswahl verab­schiedet werden kann, hängt davon ab, wie schnell sich die politischen Entscheider*innen in den zentralen Fragen einig werden.

Damit eine langfristige Strategie zur Senkung des Energieverbrauchs erfolgreich ist, sind für den BUND vor allem folgende Aspekte zentral:

"Efficiency First"

Eine langfristige Energiespar-Strategie erfordert verbindliche Ziele, eine von der Tagespolitik unabhängige Steuerung und eine verlässliche Finanzierung von Energiespar-Maßnahmen. Die sparsame und effiziente Nutzung von Energie und die Bereitstellung von Energie aus erneuerbaren Quellen müssen integriert vorangetrieben werden, um schnellstmöglich aus der Nutzung atomarer und fossiler Energiequellen auszusteigen. Zahlreiche wissenschaftliche Fachinstitute haben in diesem Sinne bereits Gesamtenergiekonzepte entwickelt, mit denen ein reduzierter Energiebedarf zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien gedeckt werden kann.

Weiterentwicklung des Instrumentariums

Einzelne Maßnahmen müssen im Sinne einer Vorsorgeleistung in ein schlüssiges Gesamtkonzept eingebunden werden. Für den Wärmebereich bedeutet das zum Beispiel, dass individuelle Sanierungsfahrpläne, Rücklagen zur Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen und kommunale Wärmenutzungspläne zur Pflicht für Kommunen bzw. Gebäudeeigentümer*innen werden sollten. Maßnahmen, die einen suffizienten Lebensstil fördern und Rebound-Effekte vermeiden, müssen stärker in die Energiespar-Strategie eingebunden werden. Dazu zählt zum Beispiel, Energiesteuern schrittweise anzuheben. So spiegeln die Energiepreise die Umwelt- und Gesundheitskosten der Rohstoffe realistischer wider - und höhere Energiepreise geben einen stärkeren Anreiz zum sparsamen Umgang mit Energie.

Energieeffizienz-Politik auf europäischer Ebene

Instrumente wie die EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) sollten aus Sicht des BUND unbedingt fortgeführt und gestärkt werden. Die Bundesregierung muss bei der nationalen Umsetzung der Vorgaben Maßnahmen auf den Weg bringen, die sich nach den ehrgeizigen Zielen der Energiewende in Deutschland richten, anstatt sich an einer Minimalumsetzung der EU-Vorgaben zu orientieren.

Sektorkopplung

Der BUND unterstützt den Vorschlag des Ministeriums, Strukturen einzuführen, durch die erneuer­barer Strom für Anwendungen wie Wärme und Verkehr genutzt werden kann, anstatt die Sektoren nur wie bisher punktuell zu verbinden. Dabei sollte die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) eine zentrale Rolle spielen, denn sie trägt entscheidend zur Versorgungssicherheit bei. Zwingende Voraussetzung für den Erfolg der Energiewende ist außerdem der schnelle Ausstieg aus der Kohle. Denn wenn Strom zunehmend in anderen Anwendungsbereichen genutzt wird, droht ansonsten ein drastischer Anstieg der Treibhausgas-Emissionen.

Digitalisierung

Die Digitalisierung der Energiewende ist kein Selbstzweck, sondern sollte jeweils nachweislich einen Nutzen für den Klimaschutz und die Selbstbestimmung von Energieerzeuger*innen und -nutzer*innen haben. Das "Grünbuch Energieeffizienz" vernachlässigt zwei Risiken der zunehmenden Digitalisierung: den zusätzlichen Energieverbrauch und die Erhöhung der elektromagnetischen Strahlung. Der BUND fordert die Bundesregierung auf, diese Risiken sorgfältig abzuwägen und im Rahmen der Strategie zur Digitalisierung der Energiewende zu minimieren.

Weitere Informationen

Stellungnahme zum Grünbuch Energieeffizienz (PDF)
Grünbuch Energieeffizienz des Bundeswirtschaftsministeriums

Quelle: BUND

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