07.10.2022
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Neues Briefing: Klimakiller ECT nicht künstlich am Leben halten!

Der Energiecharta-Vertrag (ECT) erlaubt es privaten Energiekonzernen, Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen. Jünst wurde die italienische Regierung auf 250 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt. Das Umweltinstitut München veröffentlicht ein neues Briefing, das zeigt: Auch nach der Reform wären solche Urteile weiterhin möglich.

Am 28. September wurde der italienische Staat zur Zahlung von mehr als 250 Millionen Euro (inklusive Zinsen) an das britische Öl- und Gasunternehmen Rockhopper Explorations verurteilt. Warum? Italien hat dem britischen Öl- und Gasunternehmen Rockhopper Explorations nicht erlaubt, wenige Kilometer vor der Adriaküste eine Ölbohrinsel zu errichten. Entschieden hat das ein privates Schiedsgericht im Rahmen des Vertrags über die Energiecharta (ECT). Das Urteil ist ein dramatisches Warnsignal an die europäischen Regierungen: Steigen Sie aus dem Energiecharta-Vertrag aus!

Wenn wir nicht bohren dürfen, müsst ihr zahlen!

Der Fall betrifft eine Regelung aus dem Jahr 2015, mit der die italienische Regierung auf den Widerstand der Öffentlichkeit und auf Umweltbedenken reagierte und neue Öl- und Gasprojekte innerhalb von 12 Seemeilen vor der Küste verbot. Diese Regelung bedeutete das Aus für eine geplante Ölborinsel von Rockhopper wenige Kilometer vor der Adriaküste. Die enorme Summe, die Rockhopper als Entschädigung forderte, betrug fast das Zehnfache der ursprünglichen Investitionssumme. Wie ist das möglich? Der ECT ermöglicht es dem Unternehmen, den Staat nicht nur auf Erstattung tatsächlich bereits investierter Summen, sondern auch für nicht realisierte Gewinne zu verklagen.

Dieses Urteil ist ein Schlag ins Gesicht aller Steuerzahler*innen in Italien und eine Katastrophe für alle Klimaschutzbemühungen weit über Italien hinaus. Dass Konzerne eine demokratisch nicht legitimierte Paralleljustiz bemühen können, um Staaten für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen zu bestrafen, ist nicht länger hinnehmbar.

Wie die Reform des Energiecharta-Vertrags einen Klimakiller künstlich am Leben hält

Das Urteil im Fall Rockhopper erging nur wenige Wochen, nachdem sich die Vertragsstaaten auf einen leicht modernisierten Vertragsentwurf geeinigt hatten, der kleine Änderungen vorsieht, aber vor allem den Schutz von Investitionen in fossile Brennstoffe beibehält. Das Umweltinstitut München veröffentlicht ein neues Briefing, welches unter anderem aufzeigt: Ein ähnliches Urteil wäre mit dem leicht reformierten Vertragsentwurf weiterhin möglich. Das Briefing kommt zu dem Schluss, dass:

  • die Reform des Investitionsschutzes unzureichend ist, um es den Ländern zu ermöglichen, Paris-kompatible Klimamaßnahmen zu ergreifen: Vermögenswerte aus fossilen Brennstoffen sind weiterhin zu lange geschützt; Investorenrechte bleiben sehr weit gefasst; es gibt keine Reform des umstrittenen Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahrens (ISDS).
  • die Ausweitung auf neue Technologien das Risiko von Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem Übergang zu 100 Prozent erneuerbarer Energien erhöht.
  • die Unterzeichnung der Reform einem gefährlichen Abkommen neues Leben einhauchen und die Wahrscheinlichkeit erhöhen würde, dass neue Länder beitreten. Für Länder des globalen Südens ist der Beitritt zum ECT mit erheblichen Risiken für eine nachhaltige Entwicklung verbunden.
  • ein koordinierter Rückzug im Vergleich zum Verbleib im reformierten ECT das Gesamtrisiko, vor privaten Schiedsgerichten verklagt zu werden, verringert.

Die Vertragsparteien können nun bis zum 22. November 2022 prüfen, ob sie die Ergebnisse der Reform annehmen oder aus dem Vertrag austreten wollen. Das Umweltinstitut erwartet gerade in Zeiten steigender Preise, der eskalierenden Klimakrise und unerträglichen Energieabhängigkeiten diktatorisch regierter Länder von der Bundesregierung einen Ausstieg aus dem ECT!

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Franziska Buch

Referentin für Energie & Klima | Vorstand

Umweltinstitut München e.V.

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Telefon: 089/3077 4917