FAQ: Was ist das Dienstwagenprivileg?
Ein Dienstwagen – klingt verlockend, aber was bedeutet das wirklich? In diesem FAQ beantwortet die Klima-Allianz Deutschland häufig gestellte Fragen rund um Dienstwagen und Firmenwagen. Wir erklären, wie die aktuellen Steuerregeln für Dienstwagen funktionieren und warum sie vor allem Spitzenverdienern Vorteile bringen. Was bedeutet das für soziale Gerechtigkeit, Steuereinnahmen und den Klimaschutz? Wir werfen einen kritischen Blick auf das Steuersystem für Dienstwagen und erklären, warum eine Reform dringend nötig ist. Erfahren Sie, wie die aktuelle Besteuerung die Umwelt belastet, den Einsatz von Elektroautos verlangsamt und was sich ändern muss, um klimafreundlicher zu werden.
Was ist ein Dienstwagen?
Ein Dienstwagen ist ein Fahrzeug, das ein Unternehmen seinen Angestellten zur Verfügung stellt und das nicht nur für berufliche, sondern auch für private Fahrten genutzt werden darf. Der Dienstwagen gilt oft als Gehaltsbonus. Insbesondere das Unternehmen spart dadurch Steuern, Sozial- und Rentenabgaben im Vergleich zu einer regulären Gehaltserhöhung. Dies nennt man einen „geldwerten Vorteil”, den die Angestellten versteuern müssen. Dienstwagen werden pauschal mit der „1-Prozent-Regel” (siehe unten) für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor bzw. 0,25 Prozent für E-Autos und Plug-In-Hybrid besteuert. Alternativ ist es möglich, ein Fahrtenbuch zu führen, in dem alle privaten Fahrten vermerkt werden müssen.
Was ist ein Firmenwagen?
Ein Firmenwagen ist ein Fahrzeug, das vom Unternehmen zur Verfügung gestellt und versteuert wird. Ein Firmenwagen darf überwiegend nur beruflich genutzt werden und verbleibt in der Regel nach Dienstschluss auf dem Firmengelände. Meistens sind Firmenwagen Teil einer Unternehmensflotte, etwa bei Handwerksbetrieben, Pflegediensten oder Lieferdiensten. Anders als Dienstwagen sind Firmenwagen in der Regel nicht einer einzelnen Person zugeordnet. Hier gilt nicht die 1-Prozent-Regel, da das Unternehmen die Kosten und Steuern allein trägt. Auch die gelegentliche Nutzung gegen eine Kilometergebühr, etwa für den Heimweg, macht aus einem Firmenwagen keinen Dienstwagen, da dies keinen geldwerten Vorteil im Sinne des Steuerrechts darstellt.
Was ist die 1-Prozent-Regel?
Die 1-Prozent-Regel ist eine pauschale Besteuerung für Dienstwagen mit Verbrennungsmotor (Diesel oder Benzin). Grundlage ist der Bruttolistenpreis eines Neuwagens. Die Angestellten versteuern monatlich ein Prozent des Fahrzeugwertes zusätzlich zum Gehalt. Diese Pauschalregelung ersetzt das Führen eines Fahrtenbuches. Für E-Autos bis zu 70.000 Euro sind nur 0,25 Prozent und Plug-In-Hybride 0,5 Prozent des Bruttolistenpreises fällig.
Wer profitiert von der Dienstwagenbesteuerung?
Dienstwagen werden überwiegend männlichen Spitzenverdienern mit über 85.000 Euro Jahresbruttogehalt angeboten. Während unter den einkommensstärksten 10 Prozent der Deutschen 30 bis 60 Prozent einen Dienstwagen haben, sind es in der gesamten unteren Einkommenshälfte weniger als fünf Prozent. Anders als von der Politik und Medien häufig angenommen, besitzen Pflegekräfte oder Handwerker in der Regel keinen Dienstwagen, sondern haben Zugriff auf einen Firmenwagen.
Warum sollte die Dienstwagenbesteuerung reformiert werden?
- Soziale Gerechtigkeit: Aktuell profitieren insbesondere männliche Spitzenverdiener auf Kosten der Allgemeinheit von der Dienstwagenbesteuerung. Eine Mehrheit der Deutschen kommt nie in ihrem Arbeitsleben zu dem Privileg, einen Dienstwagen zu fahren.
- Steuereinnahmen: Dem Staat entgehen jährlich bis zu 6,1 Milliarden Euro Steuereinnahmen durch die aktuelle Form der Dienstwagenbesteuerung. Gleichzeitig entstehen durch mehr Autoverkehr zusätzliche Folgekosten an Infrastruktur, für Gesundheit und Umwelt.
- Klimaschutz: Das Einsparpotential einer Reform der Dienstwagenbesteuerung wird auf 7,8 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 geschätzt. Auch weitere gefährliche Luftschadstoffe wie Stickoxide oder Feinstaub werden durch eine Reform reduziert.
- E-Mobilität fördern: Die Dienstwagenbesteuerung bietet starke Anreize für den Kauf bestimmter Autos. Aktuell sind Verbrenner-Dienstwagen durch die 1-Prozent-Regel im Vergleich zum E-Auto zu kostengünstig, daher sollten sie stärker besteuert werden. Die Klima-Allianz Deutschland und andere Akteure setzen sich für eine 2-Prozent-Regel ein.
Warum ist die Dienstwagenbesteuerung klimaschädlich?
Im europäischen Vergleich sind deutsche (Firmen- und) Dienstwagen besonders schwer und groß, wodurch sie mehr Ressourcen in der Herstellung sowie mehr Energie im Fahrbetrieb benötigen. Grund dafür ist, dass durch die 1-Prozent-Regel der steuerliche Vorteil größer wird, je teurer das Fahrzeug ist. Da Dienstwagen überwiegend Spitzenverdienern zur Verfügung gestellt werden, sind es häufig große Luxuslimousinen mit Verbrennungsmotor. Insbesondere Plug-In-Hybridfahrzeuge sind klimaschädlich, da sie in der Realität zu mehr als 90 Prozent mit dem Verbrennungsmotor gefahren werden und durch die schwere Batterie zusätzlicher Kraftstoff verbraucht wird. Statistisch bewiesen werden Dienstwagen mehr gefahren als Privatfahrzeuge, dadurch verursachen sie auch mehr Emissionen. Häufig stellt das Unternehmen zusätzlich zum Dienstwagen eine kostenfreie Tankkarte, die einen Anreiz zum Viel- und Schnellfahren bietet.
Wie könnte eine Reform des Dienstwagenprivilegs aussehen?
Um die Dienstwagenbesteuerung gerechter und klimafreundlicher auszugestalten, gibt es zahlreiche Reformvorschläge. Die Klima-Allianz Deutschland setzt sich dafür ein, den pauschalen Steuersatz von bislang 1 Prozent auf 2 Prozent des Bruttolistenpreises zu erhöhen und insbesondere Hybridfahrzeuge nicht mehr vergünstigt zu besteuern. Dies würde die derzeitige Bevorteilung von umweltschädlichen Verbrenner-Autos deutlich reduzieren, einen Anreiz für mehr E-Autos geben und Steuermehreinnahmen für den Staat bedeuten. Das Einsparpotenzial wird auf 1,9 bis 5,8 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr geschätzt.
Wie viel kostet die Dienstwagenbesteuerung den Staat bzw. die Steuerzahler*innen?
Die Steuermindereinnahmen durch die aktuelle Dienstwagenbesteuerung betragen insgesamt 6,1 Milliarden Euro pro Jahr. Der tatsächliche Wert der Privatnutzung wird durch die 1-Prozent-Regel nur unzureichend abgebildet. Es werden zu wenig Einkommensteuer sowie Sozialversicherungsbeiträge gezahlt. In dieser Summe ist die zusätzliche Vergünstigung für batterieelektrische Autos und Plug-In-Hybride noch nicht berücksichtigt. Im Subventionsbericht der Bundesregierung (BMF 2021) sind sie mit 400 bis 760 Mio. Euro pro Jahr angegeben.
Warum ist eine Reform der Dienstwagenbesteuerung wirtschaftlich sinnvoll?
Die Zukunft der Automobilindustrie ist klar elektrisch. Deutsche Autobauer hinken aber im internationalen Vergleich hinterher - chinesische und US-Hersteller dominieren den weltweiten E-Auto-Markt. Jeder vierte in der EU verkaufte Neuwagen deutscher Marken wird gewerblich in Deutschland zugelassen, was den heimischen Dienstwagenmarkt zum wichtigsten Absatzmarkt für deutsche Hersteller macht. Damit die deutsche Bundesregierung ihr Ziel erreichen kann, 15 Millionen E-Autos bis 2030 auf die Straßen zu bringen, muss sie klare Anreize für den Kauf von E-Autos setzen. Die Besteuerung von Dienstwagen beeinflusst somit stark die Pkw-Nachfrage und die Ausrichtung der Automobilindustrie. Es braucht eine Reform, um klare Anreize für E-Autos zu setzen.
Auch für den Gebrauchtwagenmarkt und somit breitere Bevölkerungsgruppen wäre eine Reform der Dienstwagenbesteuerung sinnvoll: Neun von zehn Menschen kaufen sich privat einen Gebrauchtwagen. Und immer mehr Privatpersonen kaufen sich ein E-Auto: Bereits 25 Prozent der privaten Neuanschaffungen sind E-Autos, bei Firmen- und Dienstwagen sind es nur sechs Prozent. Durch verbesserte Anreize für den gewerblichen Bereich würden also auch Privatpersonen profitieren.
Wie werden Dienstwagen in anderen europäischen Ländern besteuert?
Die meisten anderen europäischen Länder fördern weder Verbrennerfahrzeuge noch Dienstwagen steuerlich. Zahlreiche Länder können als Beispiel dienen, wie die Besteuerung von Dienstwagen sozial-gerechter und umweltfreundlicher gestaltet werden kann. In Belgien werden ab 2026 nur noch emissionsfreie Neuzulassungen von Firmenfahrzeugen von Steuervorteilen profitieren und Abschreibungen von Verbrennern durch Unternehmen abgeschafft. In Frankreich ist die Höhe der Kosten, die abgeschrieben werden können, an den Emissionswert eines Fahrzeugs gekoppelt: Bei geringem CO2-Ausstoß können mehr Kosten abgeschrieben werden. In Großbritannien ist der Prozentsatz zur Berechnung des geldwerten Vorteils proportional an die CO2-Emissionen eines Fahrzeugs als auch die elektrische Reichweite geknüpft. Für CO2-intensive Fahrzeuge sind bis zu 37 Prozent anzusetzen - im Vergleich zu 12 Prozent in Deutschland. In den Niederlanden werden lediglich elektrische Pkw unter 40.000 € privilegiert behandelt. Bei teuren Elektro-Pkw sowie allen Fahrzeugen mit CO2-Emissionen greift eine 2-Prozent-Pauschale.
Zum Weiterlesen empfehlen wir:
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Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft: Das Dienstwagenprivileg. Subventionssteckbrief, Juni 2023.
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Agora Verkehrswende und Öko-Institut: Dienstwagen auf Abwegen. Warum die aktuellen steuerlichen Regelungen einen sozial gerechten Klimaschutz im Pkw-Verkehr ausbremsen. Analyse, Oktober 2021.
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Transport & Environment: Deutscher Firmenwagenmarkt: Besteuerung bremst Elektrifizierung aus, SUVs boomen. Pressemitteilung vom 11. Juni 2024, aufgerufen am 16. September 2024.
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Jonas Becker
Referent Klimapolitik und Mobilität
Klima-Allianz Deutschland
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