”Das neue Klimafinanzierungsziel muss ein Quantensprung werden. Es geht mindestens um eine Verzehnfachung der bisherigen Gelder. Alles andere wird den enormen Bedarfen an Klimafinanzierung zum Einhalten des Pariser Klimaabkommens nicht gerecht”, betont David Ryfisch, Leiter des Bereichs Zukunftsfähige Finanzflüsse bei Germanwatch. Die zügig wachsende Schuldenkrise in großen Teilen des Globalen Südens verstärkt die Notwendigkeit, dass die gegenüber dem Klimawandel Verletzlichsten Zugang zu stark vergünstigten Mitteln bekommen, um die Klimakrise zu bewältigen.
Auf der COP29 in Aserbaidschan wird daher auch über Ernährungssysteme gesprochen. Deutliche Treibhausgasemissionsreduktionen innerhalb der Ernährungssysteme sowie ihre resiliente Ausgestaltung zur Anpassung an den Klimawandel sind unerlässlich. Dafür gibt es verschiedene Ansatzpunkte, etwa bei der internationalen Klimafinanzierung und durch ambitionierte Ziele in den NDCs (Nationally Determined Contributions) der Staaten. Germanwatch analysiert in einem neuen Briefing unter anderem, inwiefern das Thema in den internationalen Klimaverhandlungen verankert ist, welche Rolle es in Baku spielen wird und was daraus für die hiesige Agrarpolitik folgt.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt: „Der diesjährige Gastgeber der COP, ist ein autokratisches Regime – im Innern unterdrückt Präsident Ilham Alijew die Zivilgesellschaft, in den Gefängnissen wird gefoltert, auf dem Korruptionsindex steht der Staat auf Platz 154 von 180 Ländern. Nach außen ist Aserbaidschan aggressiv – zuletzt gegen die rund 120.000 Arzach-Armenier, die im September 2023 aus Arzach (Bergkarabach) vertrieben wurden. Der völkerrechtswidrigen Vertreibung ging eine monatelange Hungerblockade des Latschin-Korridors, der einzigen Zufahrtsstraße nach Arzach voraus. Niemand darf sich von Ölreichtum und einschmeichelnder Rhetorik blenden lassen: Wir haben es hier mit einer Autokratie zu tun, die Völkerrecht und Menschenrechte mit Füßen tritt“, warnt Sarah Reinke, Leiterin der Menschenrechtsarbeit der GfbV. Die deutsche Delegation solle sich daher in allen Gesprächen für die Freilassung der 23 arzach-armenischen politischen Gefangenen einsetzen.
Das Hilfswerk Misereor fordert die deutsche Regierung auf, das Ende fossiler Energien voranzutreiben und sich für ein frühzeitiges europäisches Ausstiegsdatum für Kohle, Öl und Gas einzusetzen. „Bei der letzten COP in Dubai haben sich die Staaten endlich geeinigt, das Ende der fossilen Brennstoffe voranzutreiben. Damit wurde der Startschuss gegeben, um die global gerechte Energiewende zu beschleunigen. Doch nach nur einem Jahr scheinen viele Vertragsstaaten der Klimakonferenz Erinnerungslücken zu haben“, mahnt Misereor-Klimaexpertin Madeleine Wörner. „Ein überzeugender Schritt der EU wäre, ambitionierte Ausstiegsdaten für fossile Energien anzukündigen, zum Beispiel der Ausstieg von Kohle bis 2030, Gas bis 2035 und Öl bis 2040. Das wäre ein klares Signal, um die europäische Klimaneutralität bis 2040 einzuleiten“, fordert Wörner.
Jan Kowalzig, Experte für Klimawandel und Klimapolitik bei Oxfam dazu: „2015 wurde in Ergänzung zum Pariser Abkommen beschlossen, die finanzielle Unterstützung für die einkommensschwachen Länder ab 2025 auf eine neue Grundlage zu stellen. Dieses Versprechen gilt es nun in Baku einzulösen, damit auch der Globale Süden ehrgeizig zur Umsetzung des Pariser Abkommens beitragen, sich klimaverträglich entwickeln und seine Gesellschaften vor den Folgen der Klimakrise schützen kann.” Nach Einschätzung von Oxfam braucht es für die künftige Unterstützung als Zielmarke ein Volumen von jährlich mindestens einer Billion US-Dollar. So fordern es auch die einkommensschwachen Länder. „Das Geld dafür wäre da: Über Vermögenssteuern für Reiche und Superreiche, die durch ihren extremen Konsum erheblich zur Klimakrise beitragen, oder über Abgaben auf die Förderung fossiler Energien ließen sich erhebliche Mittel mobilisieren, die in die Bewältigung der Klimakrise gesteckt werden könnten”, so Kowalzig. Die Rolle der Bundesregierung sieht Oxfam kritisch. Zwar gilt Deutschland bislang als Zugpferd in der Klimafinanzierung, aber noch plant die Bundesregierung den Etat des Entwicklungsministeriums für 2025 so kürzen, dass die deutsche Zusage, die Klima-Hilfen auf jährlich mindestens sechs Milliarden Euro anzuheben, kaum einzuhalten sein wird. Jan Kowalzig betont: „Wenn ausgerechnet Deutschland seine Finanzzusagen bricht, dürfte das der für die Verhandlungen so wichtigen Vertrauensbasis zwischen den Ländern wenig zuträglich sein. Dass sich der Bundesfinanzminister dafür nie interessiert hat, ist wenig überraschend. Bundeskanzler Olaf Scholz hingegen hat die deutsche Zusage wiederholt bekräftigt und muss nun die geplanten Kürzungen kassieren. Auch und gerade nach dem Ampel-Aus.”
Der WWF fordert ebenfalls, die Klimafinanzierung in Deutschland auf sichere Beine zu stellen und sich international für eine deutliche Erhöhung einzusetzen. Die Bundesrepublik hat eine historische Verantwortung und kann als Vorbild dienen, damit die weltweiten Finanzzusagen endlich an den tatsächlichen Bedarfen für Klimaschutz, Klimaanpassung und Schäden und Verluste ausgerichtet werden. „Die Kosten des Nichts-tun überwiegen die Investitionen in Klimaschutz bei weitem. Alles, was wir heute nicht investieren, müssen wir morgen doppelt und dreifach ausgeben. Nur mit ausreichend hohen Mitteln und dem Umlenken weltweiter Finanzströme anhand von Umweltschutzkriterien können wir unser wirtschaftliches Wohlergehen in Zukunft sichern“, sagt Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland. Für den WWF sollte das NCQG mindestens eine Billion US-Dollar pro Jahr betragen und sich mehrheitlich aus öffentlichen Geldern speisen – mit transparentem Berichtswesen und idealerweise anhand einer einheitlichen Definition von Klimafinanzierung.