23.04.2025
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Energiecharta-Vertrag: Schweizer Staatsunternehmen klagt gegen deutschen Kohleausstieg

Das Umweltinstitut München informiert über die Klage eins Schweizer Unternehmens gegen Deutschland. Es fordert eine Entschädigung für ein verlustreiches Kohlekraftwerk. Weil es vor deutschen Gerichten gescheitert ist, zieht es jetzt vor ein privates Schiedsgericht. Möglich macht das der hoch umstrittene Energiecharta-Vertrag (ECT).

Das Bild zeigt ein rauchendes Kohlekraftwerk.
Foto: Anagramm von Getty Images via Canva Pro.

Seit März 2024 verhandelt ein internationales Schiedsgericht über eine Klage der Schweizer Azienda Elettrica Ticinese (AET) gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die AET sieht durch die geplante Stilllegung eines Kohlekraftwerks im Zuge des deutschen Kohleausstieg ihre Investorenrechte verletzt und fordert Schadenersatz. Brisant: Bei der AET handelt es sich um ein Unternehmen in öffentlicher Hand des Kantons Tessin.

Was wie ein Randkonflikt klingt, könnte weitreichende Folgen für Klimaschutz und öffentliche Haushalte haben. Denn wenn die AET Erfolg hat, könnte das zu weiteren Klagen von Unternehmen gegen zentrale Klimaschutzmaßnahmen führen. Das betroffene Kraftwerk steht im nordrhein-westfälischen Lünen. Die AET hält daran rund 16 Prozent.  Jahrelang kritisierten Umweltverbände die Inbetriebnahme als unökologisch und ineffizient. Dennoch fordert die AET nun Entschädigung für fiktive Gewinne. Auch ohne das deutsche Kohleausstiegsgesetz hätte das Kraftwerk kaum länger laufen können: Der steigende CO2-Preis und der Ausbau der Erneuerbaren machen Kohleverstromung von Jahr zu Jahr unwirtschaftlicher.

Möglich wird diese Klage durch den umstrittenen Energiecharta-Vertrag (ECT). Dieses internationale Investitionsschutzabkommen ermöglicht Energieunternehmen, Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen. Solche Verfahren finden oft im Geheimen statt, ohne Beteiligung der Öffentlichkeit und mit weit gefassten Investorenrechten. Auch bei der AET-Klage sind zentrale Dokumente geschwärzt.
Wenn die Klage Erfolg hat, droht eine Welle weiterer Verfahren, nicht nur in Deutschland. Zahlreiche Kohlekraftwerke in Europa befinden sich in der Hand internationaler Investoren, die dem Beispiel der AET folgen könnten. 

Die AET versucht, sich mit Hilfe eines intransparenten Sonderrechts auf Kosten der Allgemeinheit an einer klimaschädlichen Fehlinvestition zu bereichern.

Dagegen stellt sich das Umweltinstitut München mit folgenden Forderungen:

  • Die AET muss ihre Klage zurückziehen.
  • Die Schweiz muss den Energiecharta-Vertrag verlassen.
  • Investitionsschutzabkommen mit Sonderklagerechten müssen gekündigt werden.

Was wie eine Verschwörungstheorie klingt, ist seit über 20 Jahren Realität: Private Investoren verklagen Staaten nicht vor ordentlichen Gerichten, sondern hinter verschlossenen Türen. Und das wegen Maßnahmen, die unser aller Leben schützen sollen: beim Klimaschutz, im Gesundheitswesen oder bei der Wasserversorgung.

 

Kurz erklärt: Was ist der Energiecharta-Vertrag?

Der ECT ist ein internationales Abkommen aus den 1990er Jahren, das Investoren im Energiesektor besondere Rechte einräumt. Über sogenannte Schiedsgerichte können sie Staaten verklagen, oft wegen Umwelt- oder Klimaschutzmaßnahmen.

  • Deutschland wurde bereits mehrfach unter dem ECT verklagt. Etwa wegen des Atomausstiegs.
  • Schiedsverfahren sind intransparent, teuer und gefährden die demokratische Gestaltung von Klimapolitik.
  • Zahlreiche europäische Länder, darunter Frankreich, Spanien und Deutschland haben deshalb ihren Austritt erklärt. Aufgrund einer sogenannten Sunset-Klausel können diese Länder allerdings noch 20 Jahre nach ihrer Kündigung verklagt werden. Dies macht sich auch die schweizerische AET zu Nutze.
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Franziska Buch

Referentin für Energie & Klima | Vorstand

Umweltinstitut München e.V.

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Telefon: 089/3077 4917