Zum Ausgang der Wahl zum Europäischen Parlament erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Bei der Europawahl standen Themen wie Sicherheit und Inflation im Fokus der Wahlentscheidung vieler Wähler*innen. Über den Wahltag und die Ergebnisse hinaus muss allen klar sein: Ohne einen ambitionierten Klimaschutz und ohne die Renaturierung von Ökosystemen kann es keine Sicherheit für unsere Gesellschaft und die Wirtschaft geben. Nur ein Beispiel aus jüngster Zeit: Die Hochwasser sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass intakte Moore, Wälder und Flussauen unverzichtbare Wasserspeicher sind.“ Werde die Klimakrise nicht eingedämmt, würden die Katastrophen weiter zunehmen. „Die neuen EU-Abgeordneten sollten nicht der Versuchung erliegen, das Wahlergebnis als Auftrag zur Abschwächung der europäischen Klima- und Naturschutzpolitik zu lesen. Sie müssen den Green Deal fortschreiben, die nötigen Investitionen sicherstellen, um die EU zukunfts- und wettbewerbsfähig zu machen“, appelliert Bandt.
Heike Vesper, WWF-Vorständin für Politik und Transformation, kommentiert: „Die demokratischen Parteien sollten das Ergebnis der Europawahl als Aufforderung verstehen: Der Wahlkampf ist vorbei, jetzt müssen sie gemeinsam an den Lösungen der Zukunftsfragen arbeiten. Die vielfältigen Sicherheits-, Klima-, Energie- und Naturkrisen haben sich nicht über Nacht gelöst. Die Union muss nach den Europawahlen jetzt Verantwortung übernehmen.“ Weiter betont sie: „Als Wahlsieger in Deutschland und auf europäischer Ebene steht die Union in der Verantwortung, nun verlässlich die demokratische Zusammenarbeit an Lösungen zu organisieren. Dafür muss sich aber klar von den populistischen und rechtsextremen Kräften abgrenzen und diese nicht bei Zukunftsfragen als Mehrheitsbeschaffer in den Blick nehmen.“
Die größte Aufgabe bleibe daher laut Vesper: „Wenn wir unsere Wirtschaft nicht klimaneutral und ressourcenschonend umbauen, werden wir im internationalen Wettbewerb zurückfallen. Wir setzen unseren Wohlstand aufs Spiel. Klima- und Naturschutz sichern unsere Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa. Der Green Deal bleibt eine zentrale Aufgabe für die nächste EU-Legislatur.
BEE-Präsidentin Simone Peter kommentiert: „Trotz der erstarkenden rechten Kräfte haben die Demokrat*innen in Europa eine deutliche Mehrheit erhalten. Jetzt muss das Engagement für den Klimaschutz und den Ausbau der Erneuerbarer Energien ungebrochen weitergehen. Es ist mehr denn je von entscheidender Bedeutung, dass alle pro-europäischen Parteien zusammenrücken, um den Wirtschafts- und Industriestandort Europa nachhaltig zu sichern.“ Der BEE appelliere an alle demokratischen Parteien, die notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um die Energiewende voranzutreiben und damit die Klimaziele der Europäischen Union zu erreichen und den Zukunftsstandort zu sichern. „Es muss gelingen, Populisten und Extremisten damit wieder zurückzudrängen und die Menschen vom Wert Europas für unsere Zukunft zu überzeugen und für die Demokratie zurückzugewinnen“, so Simone Peter.
Auch das Mitglied E3G sieht das Ergebnis positiv: Die überwiegende Mehrheit der Europäer*innen habe für Parteien gestimmt, die sich dem grünen Wandel und dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben hätten, und damit eine stabile und zukunftsweisende Führungsrolle der EU im Klimaschutz sichergestellt. Die oder der neue Präsident*in der Europäischen Kommission müsse dieses Wahlergebnis in eine klimapolitische Agenda umsetzen, die die Versprechen von mehr Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit, Fairness und der globalen Führungsrolle der EU einlösen. Vincent Hurkens, E3G-Programme Lead für Climate Governance und EU-Politik, sagt: „Die europäischen Parteien der politischen Mitte tragen eine große Verantwortung, eine Koalition ohne politische Kräfte zu bilden, die Europas Handlungsfähigkeit für eine stabile und ehrgeizige Klimapolitik schwächen. Die dramatischen Auswirkungen und Risiken des Klimawandels beeinträchtigen unsere Lebensmittel-, Wasser- und Energiesicherheit, unsere finanzielle Stabilität, unsere Gesundheit und unseren sozialen Zusammenhalt.”
Frank Werneke, Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) würdigt alle Wähler:innen, die mit ihrem Votum die demokratischen Kräfte gestärkt haben. „In den vergangenen Monaten war die Sorge groß, dass rechte Extremisten und Populisten das Wahlgeschehen in Deutschland dominieren könnten. Die Sorge war berechtigt, wenngleich die schlimmsten Befürchtungen nicht eingetreten sind. Auch wenn jede Stimme für rechtsextreme Parteien eine Stimme zu viel ist, hat sich die übergroße Mehrheit der Wahlbeteiligten für demokratische Parteien entschieden. Dafür möchte ich allen Wählerinnen und Wählern danken.“ Nun komme es darauf an, dass die Brandmauer gegen rechte Populisten und Postfaschisten auch im Europäischen Parlament hält. „Es darf keine Zusammenarbeit der demokratischen Fraktionen mit den Rechtspopulisten und Rechtsextremisten geben, auch nicht bezogen auf einzelne Themen, oder zur Mehrheitsbildung für die Ratspräsidentschaft“, sagt Werneke.
Mit großer Sorge blickt Germanwatch auf den Ausgang der Europawahlen. Zwar zeigen die Ergebnisse immerhin, dass weiterhin eine klare Mehrheit der Menschen wolle, dass die EU demokratisch und gemeinsam Antworten auf die zentralen Krisen unserer Zeit findet. Dies werde nun aber angesichts der starken regionalen Unterschiede der Stimmenverteilung und des insgesamt starken Zuwachses bei rechtsradikalen und -extremen Parteien schwieriger. „Parteien, die die EU, demokratische Werte, Menschenwürde und ökologische Lebensgrundlagen zerstören wollen und zugleich mit Autokraten weltweit sympathisieren, sollten die Politik der EU nicht mitbestimmen. Alle Parteien, die nicht im populistischen oder gar extremistischen Spektrum zu verorten sind, müssen im neuen Europaparlament zusammenstehen. Wir brauchen ihre Entschlossenheit zu einer konstruktiven Zusammenarbeit für eine zukunftsfähige EU, die sich nicht lähmen lässt von destruktiven Kräften“, betont Silvie Kreibiehl, Vorstandsvorsitzende von Germanwatch. Das sei bitter nötig, um den Wohlstand in Europa zu sichern. Es brauche jetzt positive Zukunftsbilder und konstruktive politische Arbeit und die Weiterentwicklung des Green Deal. Zentral werde sein, dass Mitgliedsstaaten und Parlament mit Blick auf die Kommission nur Kandidat*innen mit klarem Bekenntnis zur EU, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zum Zug kommen lassen.
Auch der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht das Ergebnis kritisch. Jene Parteien, die die Klimakrise durch sofortiges Handeln abmildern wollen, hätten die Europa-Wahl verloren. Die Legislatur werde eine Zitterpartie um den Erhalt unserer Lebensgrundlage und um menschengerechte Mobilität. Bundesvorsitzende des VCD, Kerstin Haarmann, kommentiert: „Die Verantwortung, Europa vor den schlimmsten Folgen der Klimakrise zu bewahren, liegt nun in den Händen der EVP und der designierten Kommissionspräsidentin von der Leyen. Ihr deutsches Pendant, die Union, ist zuletzt leider mit der populistischen Kampagne gegen das sogenannte Verbrenner-Aus in Erscheinung getreten. Dabei braucht die Autoindustrie Planungssicherheit für Investitionen. Nach der Wahl bleibt zu hoffen, dass sie sich eines Besseren besinnt und zukunftsfähige Mobilität ermöglicht." Der Green New Deal, den die EVP mitgetragen habe, dürfe nicht zerstört werden. Genau das würde jedoch drohen, wenn sich Ursula von der Leyen auf Stimmen von Rechtspopulisten und Rechtsextremen verlassen sollte.