„Der beispiellose Ausbau Erneuerbarer Energieträger im vergangenen Jahr hat viel Hoffnung für die Energiewende ausgelöst. Doch unsere Recherche zeigt: Während Erneuerbare boomen, hält die Kohleindustrie an ihren zerstörerischen Geschäften fest. Neun Jahre nach der Unterzeichnung des Pariser Abkommens hat die Produktion von Kraftwerkskohle einen neuen Höchststand erreicht und der weltweite Kohlekraftwerkspark wächst immer noch“, sagt Heffa Schücking, Geschäftsführerin von urgewald.
2015, im Jahr des Pariser Klimaabkommens, hatten die weltweit installierten Kohlekraftwerke eine Gesamtkapazität von 1.910 Gigawatt (GW). Heute sind es 2.126 GW – ein Wachstum von über 11 Prozent. Allein im vergangenen Jahr wuchs die weltweite Kohlekraftwerkskapazität um 30 GW: ein Nettozuwachs größer als der gesamte Kohlekraftwerkspark Polens.
Schücking kommentiert: „Künftige Generationen werden nie verstehen, warum diese Branche in den 2020er Jahren weiter expandieren durfte, obwohl die Folgen auf jedem einzelnen Klimagipfel klar benannt wurden.“
40 Prozent der in der GCEL 2024 aufgeführten Unternehmen sind „Kohleentwickler“: Sie planen die Erschließung neuer Kohleminen, den Bau von Infrastruktur für den Kohletransport oder den Bau von Kohlekraftwerken. „In diese Unternehmen zu investieren, ist, als würde man in einem brennenden Haus neue Feuer entfachen. Banken und Investoren, die die Pariser Klimaziele ernst nehmen, müssen Finanzgeschäfte mit Kohleentwicklern sofort beenden“, warnt Schücking.
Die neue GCEL listet 376 Kohleminenentwickler auf, die in 36 Ländern neue Projekte zum Abbau von Kraftwerkskohle planen. Der weltweit größte Kohleminenentwickler, Coal India, ist gleichzeitig der weltweit größte Produzent von Kraftwerkskohle. Im Jahr 2023 produzierte das Unternehmen 649 Millionen Tonnen Kraftwerkskohle und plant nun 90 weitere Kohleminen bzw. Minenerweiterungen. Dies könnte seine Jahresproduktion um bis zu 556 Millionen Tonnen erhöhen.
Insgesamt planen Unternehmen in der GCEL den Ausbau von Kohleminen mit einer Gesamtkapazität von mehr als 2.636 Millionen Tonnen pro Jahr (Mtpa). Dies entspricht fast 35 Prozent der heutigen globalen Produktion von Kraftwerkskohle. Auf Länderebene sind die größten Erweiterungen von Kohleminen in Indien (947 Mtpa), China (873 Mtpa) und Australien (201 Mtpa) geplant.
Obwohl wir der Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze bereits gefährlich nahe sind, weigert sich die überwältigende Mehrheit der Kohleunternehmen eine Energiewende zu vollziehen. Von den 1.560 Muttergesellschaften und 1.204 Tochtergesellschaften, die auf der GCEL gelistet sind, haben nur 124 Unternehmen – weniger als 5 Prozent – ein Kohleausstiegsdatum angekündigt.
Viele dieser Kohleausstiegsdaten liegen jedoch viel zu weit in der Zukunft. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) und den Vereinten Nationen ist ein Kohleausstieg in den OECD-Ländern bis 2030 und im Rest der Welt bis 2040 erforderlich, um die 1,5-Grad-Grenze einhalten zu können. Unternehmen wie KEPCO aus Südkorea oder Mitsubishi aus Japan planen erst für 2050 den Ausstieg aus der Kohle – zwanzig Jahre zu spät.
Von den 124 Unternehmen mit Kohleausstiegsplänen haben nur 65 Kohleausstiegsdaten festgelegt, die dem von der IEA festgelegten Zeitrahmen von 2030 bzw. 2040 entsprechen. Es ist außerdem besorgniserregend, dass die Mehrzahl der Energieversorger, die sich zum Kohleausstieg verpflichtet haben, ihre Kohleverstromung ganz oder teilweise durch fossiles Gas ersetzen wollen.
Insgesamt konnten wir nur 7 Unternehmen identifizieren, die sich an den Pariser Klimazielen orientieren und ihre Kohlekraftwerke vollständig durch erneuerbare Energien ersetzen:
- Synergy (Australien)
- Empresa Electrica Angamos (Chile)
- Granite Shore Power (USA)
- Holy Cross Energy (USA)
- Portland General Electric (USA)
- Sierra Pacific Power (USA)
- Wisconsin Power and Light (USA)
Laut Global Energy Monitor wurden im Jahr 2023 nur 21 GW an Kohlekraftwerkskapazität stillgelegt. Um die von der IEA gesetzten Fristen einzuhalten, müssten jedoch in den nächsten 17 Jahren durchschnittlich 126 GW pro Jahr stillgelegt werden.
Banken und Investoren haben einen Großteil des Kapitals bereitgestellt, das das enorme Wachstum der Kohleindustrie in den vergangenen Jahrzehnten ermöglicht hat. Ebenso hat die Finanzwelt die Macht, den weltweiten Ausstieg aus der Kohle zu beschleunigen. Dies erfordert jedoch klare Richtlinien für einen raschen Ausstieg aus der Kohlefinanzierung und -investition.
Schücking kommentiert: „Finanzaufsichtsbehörden wie EZB, BaFin, FMA und FINMA müssen endlich konsequent die Klimaauswirkungen der Kohlefinanzierung in die Beurteilung von Banken einfließen lassen. Weiterhin Geld in die Kohle zu stecken, ist der sicherste Weg, das Finanzsystem zu destabilisieren und unseren Planeten unbewohnbar zu machen.“
Die GCEL wurde erstmals 2017 veröffentlicht und wird seitdem jeden Herbst aktualisiert. Die Datenbank umfasst
- alle Kohleentwickler (mit Expansionsvorhaben in Bereichen wie Kohlekraftwerke, Kohleminen und Kohleinfrastruktur),
- die größten Betreiber von Kohlekraftwerken (5 GW installierte Leistung) sowie die größten Bergbauunternehmen für thermische Kohle (10 Mtpa),
- außerdem alle Unternehmen, die mehr als 10 Prozent ihrer Stromerzeugung oder ihres Umsatzes aus Kohle generieren.
Investoren, die ein Vermögen von fast 20 Billionen US-Dollar repräsentieren, wenden derzeit eines oder mehrere dieser drei Divestment-Kriterien der GCEL an, um Kohleunternehmen aus ihren Portfolios auszuschließen.
Weitere Details finden Sie hier: https://www.urgewald.org/medien/global-coal-exit-list-2024-viel-kohleexpansion-kaum-ausstiegsplaene
Zugang zur Datenbank: www.coalexit.org