Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch zieht ein gemischtes Fazit der Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF). Der dringend benötigte starke Impuls für die in gut zwei Wochen beginnenden herausfordernden Klimafinanzierungsverhandlungen bei der Weltklimakonferenz bleibt aus. „Es besteht das Risiko, dass sich der Weltklimagipfel in Baku bei der ungelösten Klimafinanzierungsfrage vollständig blockiert. Das hätte weitreichende Folgen für das multilaterale Klimaregime. Die Industrieländer haben die Chance verstreichen lassen, den letzten großen Moment vor dem Weltklimagipfel zu nutzen, um dieses Risiko mit klaren Finanzierungszusagen zu verringern“, sagt David Ryfisch, Leiter des Bereichs Zukunftsfähige Finanzflüsse bei Germanwatch.
Immerhin gehe jedoch der Reformprozess bei der Weltbank weiter und nehme im Fall des IWF endlich Fahrt auf. „Befürchtete Verschleißerscheinungen beim Reformprozess sind nicht zu erkennen. Die Jahrestagung zeigt, dass die Anteilseigner der Bretton-Woods-Institutionen bereit sind, die Reformen voranzutreiben. Mittelfristig wird dies auch der internationalen Klimafinanzierung zugutekommen“, ergänzt Ryfisch.
IDA: Deutschland darf Rolle als verlässlicher Partner nicht riskieren
Ein Schwerpunkt der Jahrestagung war die Wiederauffüllung des IDA-Fonds der Weltbank, welcher die ärmsten und von der Klimakrise am massivsten bedrohten Länder mit zinsvergünstigten Krediten und Zuschüssen unterstützt. Spanien und Dänemark haben mit der Erhöhung ihrer Beiträge einen positiven Ton gesetzt. Es zeichnet sich zudem ab, dass auch nicht-traditionelle Geber wie China ihre Beträge erhöhen werden. Deutschland hat seinen Beitrag noch nicht genannt, hier könnte es sogar zu einer realen Verringerung im Vergleich zur letzten Runde kommen. „Deutschland hat versprochen, dass die verwundbarsten Länder nicht durch den Umbau der Weltbank benachteiligt werden sollen. Ein schwacher deutscher Beitrag zur IDA-Wiederauffüllung wäre allerdings das Gegenteil“, kommentiert Christian Groeber, Referent für die Reform der internationalen Finanzarchitektur bei Germanwatch. „Damit droht Deutschland seine Position als verlässlicher Partner in einer zunehmend multipolaren Welt zu verlieren. Daran sollte bei den Verhandlungen um den Entwicklungshaushalt gedacht werden. Nicht zuletzt bedeutet eine starke Wiederauffüllung auch Zugang zu Finanzierung für die Anpassung der verwundbarsten Länder an die Folgen der Klimakrise.“
IWF: Innovative Ansätze zur Schulden- und Klimakrise erforderlich
Die eskalierende Schuldenkrise im Globalen Süden dominierte die Diskussionen zum IWF während der Tagung. Die Expertengruppe zu Schulden, Natur und Klima legte einen ersten Zwischenbericht vor. „Die Schuldenkrise spitzt sich weiter zu. Nächstes Jahr wird sie während der südafrikanischen G20-Präsidentschaft im Vordergrund stehen. Die Bundesregierung muss sich an den verschiedenen Lösungsansätzen zur Entschärfung der Schuldenkrise beteiligen und darf sich nicht länger gegen dringend notwendige Finanzierungsquellen wie die innovative Nutzung von Sonderziehungsrechten stellen“, sagt Groeber. Zunehmend steht auch die Schuldentragfähigkeitsanalyse des IWFs im Zentrum der Debatte. Bisher integriert sie klimabedingte Risiken nicht ausreichend. „Der IWF muss seine Analyseinstrumente besser an die Klimarealität anpassen. Wenn Investitionen in Klimaresilienz die Krisenanfälligkeit von Entwicklungsländern nachhaltig mindern, muss sich dies in ihrer Kreditfähigkeit widerspiegeln. Hier bleibt auch nach der Jahrestagung Reformbedarf“, so Groeber abschließend.
G20: Nachholbedarf bei Finanzministern und Zentralbankern
Parallel zur Jahrestagung trafen sich sowohl die G20-Finanzminister:innen als auch die von Brasilien initiierte gemeinsame Arbeitsgruppe zu Klimafragen bestehend aus Zentralbanken sowie Finanz- und Umweltministerien der G20-Staaten. „Die brasilianische G20-Präsidentschaft hat eine Vielzahl an Impulsen gesetzt, um Klima- und Finanzthemen stärker zusammenzubringen. Dies ist ein richtiger Ansatz, den Südafrika weiterverfolgen sollte. Dabei ist jedoch auch klar geworden, dass Finanzministerien und Zentralbanken im Klimabereich noch Nachhilfeunterricht brauchen. Das gilt insbesondere für Deutschland, wo konservatives Denken in den Institutionen noch vorzuherrschen scheint“, ergänzt Ryfisch.
Weltklimakonferenz muss „Quantensprung“ bei internationaler Klimafinanzierung machen
Die diesjährige Weltklimakonferenz (COP29) in Baku steht vor allem im Zeichen der Klimafinanzierung. Inmitten einer herausfordernden internationalen Lage muss sich die Staatengemeinschaft auf ein neues Klimafinanzierungsziel einigen, das nach 2025 gelten soll. Dies ist eine große Herausforderung, denn die Lücke zwischen den bisher gewährten 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr und dem bei mehr als dem Zehnfachen liegenden Finanzierungsbedarf der armen Länder des Globalen Südens für Klimaschutz und -anpassung ist gewaltig. Allerdings könnte ein Teil des Aufwuchses durch die Reform von multilateralen Entwicklungsbanken wie der Weltbank sowie neue internationale Abgaben und die stärkere Nutzung von IWF-Sonderziehungsrechten aufgebracht werden.
„Das neue Klimafinanzierungsziel muss ein Quantensprung werden. Es geht mindestens um eine Verzehnfachung der bisherigen Gelder. Alles andere wird den enormen Bedarfen an Klimafinanzierung zum Einhalten des Pariser Klimaabkommens nicht gerecht”, betont Ryfisch. Die zügig wachsende Schuldenkrise in großen Teilen des Globalen Südens verstärkt die Notwendigkeit, dass die gegenüber dem Klimawandel Verletzlichsten Zugang zu stark vergünstigten Mitteln bekommen, um die Klimakrise zu bewältigen.
Neue Pläne der Staaten müssen viel ehrgeiziger werden
Abseits von Finanzfragen geht es auch um die Vorbereitung neuer nationaler Pläne zur Emissionsminderung, die spätestens im ersten Quartal 2025 vorgelegt werden sollen, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Die Ausgangssituation zur Erhöhung der Ambition ist für viele Staaten eigentlich gut. Endlich gibt es insbesondere bei den größten Emittenten weltweit exponentiell steigende Investitionen in Erneuerbare Energien und Effizienztechnologien. Es bedarf eines Unterstützungspaketes für die ärmeren Länder, damit die notwendigen Investitionen auch dort getätigt werden. Der massive Druck der fossilen Lobby verhindert vielerorts, dass die Regierungen die Ziele so anpassen, wie es die technisch bereitstehenden und volkswirtschaftlich günstigsten Lösungen eigentlich ermöglichen. Deshalb würde derzeit die vollständige Umsetzung aller aktuellen Zusagen der Staaten (NDCs) laut eines Berichts des UN-Klimasekretariats nur zu einer Emissionsreduzierung von schätzungsweise 6 Prozent bis 2030 gegenüber dem Stand von 2019 führen – während für das 1,5 Grad-Limit Reduktionen von etwa 50 Prozent und selbst für das aus guten Gründen als zu riskant betrachtete 2 Grad-Limit etwa 30 Prozent notwendig sind.
Die nun fälligen neuen Pläne der Staaten zur Minderung der Treibhausgasemissionen müssen also viel ehrgeiziger werden als die bisherigen. “Die Weltklimakonferenz muss politisches Momentum für eine ambitionierte inhaltliche Weiterentwicklung der Klimaziele erzeugen, so dass sie die Welt auf einen 1,5 Grad-Pfad oder möglichst nahe daran bringen kann. Neue Kohle-, Öl- und Gasprojekte sind damit nicht mehr vereinbar“, betont Petter Lydén, Co-Bereichsleiter für Internationale Klimapolitik bei Germanwatch.