Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte Anfang der Woche die Bundesregierung auf, die drohende Industrialisierung der Nordsee zu verhindern und den Gesetzesentwurf in der aktuellen Fassung abzulehnen. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Die Speicherung von CO2 in geologischen Formationen darf nur unter strengen Rahmenbedingungen für diejenigen Industriezweige zugelassen werden, die ansonsten nicht dekarbonisiert werden können.“ Der fossilen Industrie solle nicht der rote Teppich ausgerollt werden. „Das gilt insbesondere für die geplante Zulassung von ‚Carbon Capture and Storage‘ an Gaskraftwerken“. Erst über die neuen LNG-Terminals Fracking-Gas aus den USA zu importieren und dann die CO2-Emissionen der neuen Gaskraftwerke einzufangen, ist klimapolitisch absurd.“ Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH unterstreicht außerdem, dass die Nordsee zu keiner CO2-Deponie der Energiewirtschaft werden dürfe. Man brauche klare Prioritäten beim Meeresschutz und der Energiewende.
Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) äußert sich wie folgt: „Heute knallen die Korken bei Shell, Exxon, Wintershall DEA, Equinor und Co: Die Koalition serviert ihnen mit dem heutigen Beschluss des CCS-Gesetzes ein flächendeckendes Kohlendioxid-Pipelinenetz und Klimamülldeponien unter dem Meer und an Land. So können Kraftwerke und die großen Industriekonzerne auch über 2045 hinaus Erdgas und Erdöl einsetzen.“ Durch das Gesetz werde die Energiewende ausgehebelt. „Der Ausstieg aus den fossilen Energien, für den sich Deutschland noch auf der Weltklimakonferenz stark eingesetzt hat, ist plötzlich massiv gefährdet.“, formuliert Brandt. Dabei sei CCS eine gefährliche Scheinlösung, ein Bluff aus der Trickkiste der internationalen Öl- und Gaskonzerne, um den Ausstieg aus fossilen Energien und echte Lösungen zu verhindern. Mit CCS werden die Klimaziele unerreichbar. „Der BUND wird die besorgniserregende Entwicklung sowie die Entscheidungen des Gesetzgebers beobachten. Wir behalten uns weitere Schritte vor.”
Unsere Mitglieder Germanwatch und der WWF fordern Nachbesserung. CO2-Abscheidung müsse an fossilen Kraftwerken ausgeschlossen bleiben. Germanwatch warnt: „Der Einsatz von CO2-Abscheidung und -speicherung bei Gaskraftwerken würde die massive Gefahr eines fossilen Lock-ins bergen, also den Ausstieg aus der Erdgas-Verstromung enorm erschweren. Die CO2-Abscheidung an Kraftwerken erfordert hohe Anfangsinvestitionen, die sich für die Betreiber nur lohnen, wenn sie langfristig Erdgas verstromen können. Das ist aber mit den deutschen Klimazielen nicht zu vereinbaren“, sagt Simon Wolf, Leiter des Bereichs Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch. „Auch das von der Bundesregierung selbst gesteckte Ziel eines bis 2035 weitgehend klimaneutralen Stromsystems ist mit dem Einsatz von CCS an Gaskraftwerken faktisch nicht erreichbar“, stellt Wolf klar. Der Fokus solle daher stattdessen auf dem Ausbau der wirklich klimaneutralen Alternativen liegen: dem Einsatz Erneuerbarer Energien und grünen Wasserstoffs. Mit dem Beschluss des jetzigen Entwurfs werde die Bundesregierung nachbessern müssen. Das Gesetz in der aktuellen Form verursache zusätzlichen Mehrkosten. Denn um Kraftwerke erst zur CO2-Abscheidung und dann zum Wasserstoff umzurüsten, müsste das über die Stromrechnungen oder Steuern die Gesellschaft bezahlen. Man solle dem Prinzip „so wenig wie möglich, so viel wie nötig" folgen. „In einer kleinen Anzahl von industriellen Anwendungen - vor allem in der Zement- und Kalkherstellung - gibt es nach heutigem Wissensstand für die CO2-Reduktion keine Alternativen zur CO2-Abscheidung. An Gaskraftwerken ist CCS aber aufgrund der vorhandenen technologischen Alternativen nicht nötig und wegen der ökologischen und finanziellen Folgekosten ein gefährlicher Irrweg“, so Wolf. Es brauche ein klares Verbot von CCS an Kraftwerken.
Laut WWF liest sich das Gesetz wie ein Freifahrtschein für Gaskraftwerke und würde die Büchse der Pandora öffnen. Das Gesetz widerspreche dem Beschluss der vergangenen Klimakonferenz in Dubai, den Deutschland mitgetragen habe, sich von fossilen Energieträgern abzuwenden. Dazu sagt Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland: „Die Speicherung von Kohlendioxid für die Gasbranche zu öffnen, erlaubt ihr ein Weiter-so mit Aussicht auf CO2-Abscheidung, die in solchen Maßstäben überhaupt nicht sicher ist. Das führt zu vermeidbaren CO2-Emissionen, die die Klimakrise weiter anfachen. Die Speicherung von CO2 (CCS) muss auf sehr wenige, aktuell nicht-vermeidbare Restemissionen aus der Industrie beschränkt sein. Und dafür braucht es strenge Standards“. „Wir fordern das Parlament auf, die Kabinettsentwürfe entsprechend zu ändern“, sagt sie abschließend.