Matthias Meißner, Leiter Politik und Biodiversität beim WWF Deutschland, sieht die Chancen eines nachhaltigen Wandels für unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft als verpasst: „Dem Koalitionsvertrag fehlt es an Mut und Weitsicht, wichtige Impulse in Richtung Klimaneutralität und Erhalt der Biologischen Vielfalt zu setzen. So fehlt etwa der Mut klare Entscheidungen für erprobte und zukunftsfähige Technologien zu treffen.” Er kritisiert vor allem die Abschaffung des Heizungsgesetzes und die fehlende Abkehr von fossilen Energien: „In Zeiten, wo die Konsequenzen der Klimakrise immer deutlicher werden, sollte die Bundesregierung fossile Infrastrukturen abbauen und nicht wie bei der Gasförderung neue schaffen.”
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH, kritisiert die klimapolitischen Rückschritte im Koalitionsvertrag: „In Sachen Wärmewende ist der Worst Case eingetreten: Das Heizungsgesetz soll abgeschafft werden. Das ist fatal für den Klimaschutz und bezahlbares Heizen. Ohne einen klaren Fokus auf Energieeffizienz und Einsparung fährt die neue Koalition Klimaschutz im Gebäudesektor weiter an die Wand.” Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, bemängelt die „massiven Fehlanreize für den Bau übergroßer und klimaschädlicher Pkw mit Verbrennungsmotor” im Automobilsektor. Außerdem möchte er die neue Bundesregierung an ihren Vorhaben zur personellen Neuaufstellung des gescheiterten Bahnvorstandes, zur Abschaffung der Nutzen-Kostenberechnung bei Elektrifizierungsvorhaben und zur Stärkung der Schiene messen. Der Bundesgeschäftsführer der DUH, Sascha Müller-Kraenner, kündigt an, weiterhin mit allen rechtlichen Mitteln das Klimaschutzgebot des Bundesverfassungsgerichtes zu verteidigen.
Auch der ökologische Verkehrsclub VCD sieht nur wenige gute Ansätze für die Verkehrswende. Der vorgestellte Koalitionsvertrag von Union und SPD stelle einen Rückschritt für eine nachhaltige Verkehrspolitik dar, wie der verkehrspolitische Sprecher des VCD, Michael Müller-Görnert, kommentiert: „Klimaschädliche Subventionen bleiben oder werden sogar erhöht, ein Tempolimit wird nicht eingeführt – trotz klarer Vorteile für Sicherheit und Klima und einer Mehrheit in der Bevölkerung. Die gerade erst angehobene Luftverkehrsteuer wird gesenkt und die Pendlerpauschale erhöht. Deutschland soll Autoland bleiben. Und zusätzlich werden den Umweltverbänden Steine in den Weg gelegt. Kein guter Tag für Verkehrswende und Umweltschutz.” Das Bekenntnis zum Deutschlandticket, dem weiteren Ausbau der Bahnfinanzierung sowie die Sicherung des ÖPNV begrüßt Müller-Görnert. Jedoch fehle es an einem Plan für den ÖPNV-Ausbau.
Dr. Simone Peter, Präsidentin des BEE, betont die Bedeutung der Erneuerbaren Energien als Schlüsseltechnologien für die Erreichung nationaler und europäischer Klimaziele: „Das Bekenntnis zu den nationalen und europäischen Klimazielen begrüßen wir ebenso wie die Betonung der Erneuerbaren Energien als Schlüsseltechnologien.” Peter betont die nötige Investitionssicherheit für Erneuerbare im Strom- und Wärmebereich. Als besonders relevant erachtet sie die Strompreissenkung: „Die Strompreissenkung sowie weitere Maßnahmen, die Wirtschaft und Verbraucher einerseits entlasten und andererseits die Sektorenkopplung voranbringen sowie den Wasserstoffhochlauf fördern, halten wir ebenso für richtig wie die Nutzung von Marktinstrumenten wie der CO2-Bepreisung, die soziale Schieflagen vermeiden soll. Auch das klare Bekenntnis zu einer resilienten Wirtschaft in geopolitisch herausfordernden Zeiten ist ein wichtiges Signal für alle Sparten der Erneuerbaren-Energien-Branche.”
Hauke Doerk, Referent für Energiepolitik am Umweltinstitut München, kommentiert die atompolitischen Aussagen des Koalitionsvertrags: „Die neue Koalition aus Union und SPD verzichtet auf eine Rückkehr zur Atomkraft. Nachdem die Union im Wahlkampf und in Sondierungsgesprächen lauthals ein Comeback für die gefährliche Risikotechnologie gefordert hatte, ist im Koalitionsvertrag davon keine Rede mehr – weder von neuen Meilern, noch vom Wiederanfahren der abgeschalteten AKW. Auch auf den begleitenden Pressekonferenzen: Kein Wort mehr zu diesem Thema. Der plötzliche Schwenk zeigt: Ein Wiedereinstieg in die Nutzung der Atomkraft war von Anfang an eine populistische Luftnummer der Union. Denn in der Sache wäre ein Wiedereinstieg weder klima- noch energiepolitisch sinnvoll – das dürfte Friedrich Merz ebenso klar sein wie Markus Söder.”
Das Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn) begrüßt das ausdrückliche Vorkommen der Bürgerenergie, Energy Sharing und Mieterstrom im Koalitionsvertrag. Das BBEn verweist aber auch darauf, dass die Frage eines zukünftigen Investitionsrahmen für Erneuerbare Energie unbeantwortet geblieben ist. Martin Bialluch, Vorstandssprecher des Bündnisses Bürgerenergie e.V., erklärt dazu: „Es ist sehr zu begrüßen, wenn es im Koalitionsvertrag heißt, dass die kommende Regierung auch Verbraucher*innen stärker zu Mitgestaltern bei der Energiewende machen will und dabei neben Entbürokratisierung ausdrücklich die Bürgerenergie sowie ihre zentralen Themen Mieterstrom und Energy Sharing als Mittel dafür nennt. Hinsichtlich des zukünftigen Investitionsrahmens für Erneuerbare Energie hätten wir uns aus Sicht der Bürgerenergie im Vertrag hingegen ein klares Bekenntnis gewünscht, dass harte Systembrüche vermieden werden. Der zukünftige Strommarkt muss so gestaltet werden, dass die Akteursvielfalt erhalten bleibt und auch kleinere und mittlere Akteure ausreichend Planungssicherheit haben. Entscheidend für den künftigen Ausbau der Erneuerbaren Energien wird sein, wie die im Vertrag zum Teil nur sehr allgemein gehaltenen Punkte von der künftigen Bundesregierung konkret umgesetzt werden.“
Aus Sicht des Bundesverbandes Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW) fehlt dem Koalitionsvertrag der Mut zur Modernisierung der Wirtschaft. „Wir begrüßen das klare Bekenntnis zum Klimaziel 2045 und wünschen der Union und der SPD den Mut, weitere Impulse für Wirtschaft der Zukunft zu setzen“, so Prof. Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des BNW. Trotzdem fehlten im Koalitionsvertrag die entsprechenden Schlüsse. Vielmehr plane die neue Bundesregierung den Europäischen Emissionshandel zu verwässern und halte an klimaschädlichen Subventionen fest beziehungsweise erweitert diese sogar. „Die neue Regierung fährt zweigleisig – einerseits Klimaziel, andererseits die Rückkehr zur Agrardieselrückvergütung und Schwächung des europäischen Emissionshandels. Statt schrittweise Abhängigkeiten zu reduzieren und den Übergang bis 2045 zu gestalten, verpufft finanzieller Spielraum für Zukunftstechnologien in fossilen Antrieben“, so Reuter abschließend.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. sieht in einzelnen Punkten wichtige Vereinbarungen zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft und Agrarpolitik. Jedoch fehle es an Mut und neuen Ideen für einen Politikwechsel, wie Claudia Gerster, AbL-Bundesvorsitzende kommentiert: „Die lange bekannten wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Herausforderungen in der Landwirtschaft kann man nicht mit alten Rezepten lösen, die schon bislang nicht funktioniert haben. Der Koalitionsvertrag bietet uns Bäuerinnen und Bauern im Kern aber nur wenig Neues. Union und SPD fehlt es offenbar an Mut, einen wirklichen Politikwechsel einzuleiten, obwohl dieser gerade in der Agrarpolitik dringend notwendig ist. Viele Betriebe stehen bei der Entwicklung ihrer Höfe seit Jahren auf der Bremse, weil die politisch Verantwortlichen keinen klaren und vor allem langfristigen Rahmen setzen. Die Signale aus Politik und Gesellschaft widersprechen sich vielfach. Während sich die Mehrheit der Bevölkerung eine bäuerliche Landwirtschaft wünscht, die unsere natürlichen Ressourcen schützt und damit für eine nachhaltige Ernährungssicherheit sorgt, ist die Agrarpolitik immer noch mehrheitlich auf globale Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet. Diese Diskrepanz zerreißt viele Betriebe und wird vom vorgelegten Koalitionsvertrag nicht aufgelöst.”
Germanwatch sieht Licht und Schatten im Koalitionsvertrag. Christoph Bals, Politik-Vorstand von Germanwatch, kommentiert: „Es ist gut, dass der Vertrag zügig erarbeitet worden ist. Angesichts der Angriffe der US-Regierung brauchen wir eine voll handlungsfähige Bundesregierung in Bezug auf die Verteidigung von Völkerrecht und Menschenrechten sowie den Erhalt von Sicherheit und ökologischen Lebensgrundlagen.” Bals stellt außerdem positiv hervor, dass der Erhalt von Sicherheit und unserer ökologischen Lebensgrundlage auch durch internationale Zusammenarbeit gewährleistet werden soll: „Die angekündigte Bereitschaft, Deutschlands fairen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung zu leisten, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Klimakrise zählt zu den größten sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Eine gezielte Unterstützung von Partnerländern im Globalen Süden ist Ausdruck notwendiger globaler Verantwortung – und zugleich im direkten sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interesse Deutschlands.” Bals kritisiert eine „Abschwächung durch die Hintertür” beim Klimaschutz in Deutschland und der EU, indem bis zu 3 Prozent des EU-2040-Klimaziels durch internationale Zertifikate erfüllt werden sollen.
OXFAM kritisiert die massiven Einschnitte im Entwicklungsbudget, bei der humanitären Hilfe sowie beim Klimafinanzierung. Serap Altinisik, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland, kommentiert: „Die künftige Bundesregierung kündigt zwar an, Deutschland werde seinen fairen Anteil an der internationalen Klimafinanzierung leisten. Wenn aber gleichzeitig die Mittel des Entwicklungsministeriums sinken, wäre dies kaum haltbar. Hält Deutschland seine Zusage nicht ein, einkommensschwache Länder mit jährlich mindestens sechs Milliarden Euro bei der Bewältigung der Klimakrise zu unterstützen, wird die künftige Bundesregierung beim nächsten UN-Klimagipfel einen Wortbruch eingestehen müssen. Der Schaden für die internationale Klimadiplomatie wäre immens.”
Auch Andreas Frick, Hauptgeschäftsführer von Misereor, äußert sich kritisch zu den Einschnitten der Entwicklungspolitik: „Wir fordern die neue Bundesregierung auf, keine weiteren Kürzungen im Bundeshaushalt für die Entwicklungszusammenarbeit vorzunehmen und damit die existenzielle Not von Millionen von Menschen zu vergrößern. Schon jetzt müssen Projektmittel zur Anpassung an den Klimawandel und Ernährungssicherung in Ostafrika und Bangladesch, zu Gesundheitsprojekten für Mütter und Kinder im Sahel oder zur Versorgung von Flüchtlingen in Myanmar oder im Kongo gekürzt werden. Weitere Mittelkürzungen würden bedeuten, dass der Kampf gegen die Klimakrise, gegen Hunger, Armut und Krankheiten massiv geschwächt würde. Auch mit Blick auf unsere Partner, die in ihren Ländern gegen Menschenrechtsverletzungen kämpfen und dafür oft bedroht und gefährdet sind, bedeuten weitere Einschnitte, dass Autokratien zukünftig noch schwieriger begegnet werden kann.”