In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde das NCQG beschlossen. Es nimmt zur Kenntnis, dass die Finanzbedarfe der Entwicklungsländer im Umgang mit der Klimakrise bis 2030 bei mindestens 5 Billionen US-Dollar liegen, aber stellt dem eine vergleichsweise geringe Summe an Finanzierung gegenüber. Bis 2035 soll die Klimafinanzierung an Entwicklungsländer von aktuell 100 Milliarden US-Dollar auf mindestens 300 Milliarden US-Dollar anwachsen. Industriestaaten sollen laut Beschlusstext dabei die Führungsrolle übernehmen, andere Länder – damit sind vor allem China und die reichen Golfstaaten gemeint – werden ermutigt, freiwillig zu diesem Ziel beizutragen. Diese 300 Milliarden US-Dollar müssen dabei nicht ausschließlich aus Zuschüssen kommen, sondern können auch Kredite, etwa von Entwicklungsbanken, oder mobilisierte Privatsektorfinanzierung umfassen.
In einer „Baku to Belém Roadmap“ soll bis zur COP30 ein Bericht erarbeitet werden, der darlegt, wie die mindestens 1,3 Billionen US-Dollar an Klimafinanzierung erreicht werden können, die Entwicklungsländer gefordert hatten, und zwar mit Beiträgen von „allen Akteuren“ aus „allen öffentlichen und privaten Quellen“. Kritik am NCQG-Beschluss hagelte es schon während des Abschlussplenums. Mehrere Entwicklungsländer, allen voran Indien, beanstandeten den Prozess in den letzten Verhandlungsstunden und die Rolle der aserbaidschanischen COP-Präsidentschaft. Auch die Summe von 300 Milliarden US-Dollar wurde kritisiert, da sie sehr weit an der Forderung der Entwicklungsländer von 1,3 Billionen Euro Klimafinanzierung vorbeiführt. Laut ersten Analysen stellt sie nach Verrechnung der Inflation nicht einmal eine Verdopplung des aktuellen Niveaus an Klimafinanzierung dar. Die breite Palette an Finanzierungsformen, die zur Erfüllung der 300 Milliarden zulässig ist, erhöht das Risiko, dass überschuldete klimavulnerable Länder noch stärker in die Schuldenfalle rutschen.
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert den Ausgang der diesjährigen UN-Klimakonferenz deutlich. Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender: „Das Verhandlungsergebnis ist enttäuschend und verfehlt bei weitem die eigentlichen finanziellen Bedarfe. Das blockiert nicht nur ambitionierten Klimaschutz, es gefährdet auch ganz konkret die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. Die reichen Industriestaaten präsentieren sich gerne als Vorreiter in Sachen Klimaschutz, werden ihrer besonderen Verantwortung in dieser zentralen Frage jedoch nicht gerecht.” Der BUND fordert, dass die deutschen Finanzzusagen ab 2025 auf mindestens acht Milliarden Euro neuer und zusätzlicher Finanzierung jährlich steigen, um den weltweiten Klimaschutz effektiv zu unterstützen.
Sabine Minninger, Klimaexpertin von Brot für die Welt, kommentiert das Ergebnis der COP29 zur Vereinbarung eines neuen Klimafinanzziels nach 2025: "Das Ergebnis ist ein Minimalkonsens. Gerade die ärmsten und verletzlichsten Staaten haben alle ihre Forderungen fallen lassen, nur um ein Scheitern der Konferenz zu verhindern. Den verletzlichsten Staaten war es wichtiger, dass der multilaterale Prozess weitergeht, als auf ihren Forderungen nach gerechter Unterstützung zu bestehen. Sie haben ein Ergebnis mitgetragen, das ihren Bedürfnissen überhaupt nicht gerecht wird. Die Länder brauchen einen priorisierten Zugang zur Klimafinanzierung und müssen im Umgang mit der Klimakrise durch Zuschüsse -nicht durch Kredite - unterstützt werden. Es ist verheerend, dass die ärmsten Staaten auf Druck der Industriestaaten ihre Forderung nach Finanzierung von Klimaschäden fallengelassen haben. Somit laufen sie Gefahr, sich zur Deckung der hohen Schadenskosten weiterhin massiv zu verschulden."
Auf der 29. Klimakonferenz in Aserbaidschan kamen auch die 158 Staaten zusammen, die sich seit 2021 dem Global Methane Pledge angeschlossen haben. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, kommentiert: „Es bleiben nur noch fünf Jahre, um den Global Methane Pledge zu erfüllen. Die Methanemissionen durch die Förderung fossiler Brennstoffe müssen sogar um 75 Prozent sinken, um das Pariser Klimaziel noch einhalten zu können. Technologie, mit der das einfach und kostengünstig möglich ist, existiert – real steigen die Methanemissionen jedoch jedes Jahr weiter. Die unterzeichnenden Staaten müssen auf dem heutigen Treffen das Ruder herumreißen: Wir brauchen separate und ambitionierte Methanziele, insbesondere für den Energiesektor!“
Germanwatch betrachtet das Ergebnis des Klimagipfels mit gemischten Gefühlen. “Diese Weltklimakonferenz liefert nicht das, was eigentlich notwendig gewesen wäre - aber sie bewegt sich im oberen Bereich dessen, was bei der derzeitigen politischen Großwetterlage möglich ist”, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Einerseits sind die Ergebnisse nicht ausreichend, um auf die eskalierende Klimakrise zu reagieren. “Der nun beschlossene Aufwuchs der Klimafinanzierung auf mindestens 300 Milliarden Dollar jährlich bis 2035 reicht nicht für notwendigen Klimaschutz, -anpassung und die Bewältigung der durch die Klimakrise verursachten Schäden aus. Immerhin wurden aber eine Roadmap und eine Überprüfung 2030 beschlossen, um die Lücke zu den eigentlich notwendigen 1,3 Billionen Dollar pro Jahr etwa durch innovative Finanzmechanismen zu schließen”, bilanziert David Ryfisch, Leiter des Bereichs Zukunftsfähige Finanzflüsse bei Germanwatch.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisiert die strukturelle Trennung zwischen der Biodiversitätskonferenz (COP16) und der Klimakonferenz (COP29). Diese künstliche Teilung behindere die ganzheitliche Betrachtung von Umwelt- und Klimaschutzthemen und ignoriere die komplexen Wechselwirkungen zwischen Biodiversitätsverlust und globaler Erderwärmung. „Während auf der COP16 in Cali, Kolumbien, schwerwiegende Auswirkungen des illegalen Goldabbaus im Amazonasgebiet auf Indigene Territorien und die Umwelt präsentiert wurden, fanden diese dringlichen Themen kaum Eingang in die Verhandlungen in Baku. Dabei betreffen illegale Aktivitäten auf Indigenen Territorien nicht nur die entsprechenden Regionen, sondern bedrohen direkt die globalen Klimaziele. Die fehlende mediale Aufmerksamkeit und die mangelnde Abstimmung der beiden Konferenzen erschweren es, globale Lösungen für diese transnationalen Herausforderungen zu entwickeln“, erklärt Jan Königshausen, GfbV-Referent für Indigene Völker.
Laut Oxfam könne niemand mit dem Ergebnis zufrieden sein. Jan Kowalzig, Experte für Klimawandel und Klimapolitik bei Oxfam, kommentiert: „Es ist ernüchternd, dass in Baku nicht mehr zu erreichen war – für die Unterstützung einkommensschwacher Länder und den Ausstieg aus den fossilen Energien. Mit diesem Ergebnis kann niemand zufrieden sein. Die Welt befindet sich auf Katastrophenkurs, und die Konferenz hat dazu nichts zu sagen. Das ist absolut ungenügend!
Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland sagt zum Ausgang der COP 29: „Die in Aussicht gestellten Gelder sind nicht mehr als ein Schluck Wasser vorm Verdursten. Das neue Finanzziel wird weder dem Blick in die Vergangenheit noch in die Zukunft gerecht: Die Industriestaaten haben die Klimakrise maßgeblich verursacht und müssen dafür zahlen. Und alle Staaten dieser Erde werden künftig nur dann erfolgreich wirtschaften können, wenn sie konsequent auf Klimaschutz setzen – und dazu auch finanziell in der Lage sind. Jetzt nicht die nötigen Mittel in die Hand zu nehmen, wird auch die Wirtschaftsleistung der reichen Nationen maßgeblich einschränken. Jeder nicht investierte Euro heute wird und morgen das Vielfache kosten.