01.03.2024
News von Mitgliedern

FDP-Veto verzögert EU-Lieferkettengesetz: Mitglieder sehen Glaubwürdigkeit Deutschlands in Gefahr

Am 28. Februar hat der Ausschuss der Ständigen Vertreter*innen des europäischen Rats (COREPER) über das EU-Lieferkettengesetz abgestimmt. Die FDP hat wie angekündigt ihr Veto eingelegt, weshalb sich Deutschland im Ausschuss enthalten hat. Das verhinderte eine Mehrheit für das EU-Lieferkettengesetz. Für einige Mitglieder der Klima-Allianz Deutschland verliert die Bundesregierung durch dieses Verhalten an Glaubwürdigkeit in der EU so kurz vor der Wahl des Europäischen Parlaments.

Frau im Lager

Im Dezember hatten die Europäische Kommission, Parlament und Rat eigentlich einen Kompromiss erreicht. Die Bundesregierung enthielt sich bei der Ausschusssitzung vergangenen Mittwoch jedoch, weil die FDP die deutsche Zustimmung mit einem Veto blockiert hatte. Das ist einem Nein gleichgekommen und hat dazu geführt, dass keine Mehrheit für den Gesetzesentwurf zustande gekommen ist. Die belgische Ratspräsidentschaft hat angekündigt, nun erneut mit den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament in Verhandlungen zu treten, um eine Mehrheit für den Kompromiss zu finden. Das verzögert den Gesetzgebungsprozess und eine Einigung vor der Europawahl im Juni rückt damit außer Reichweite. 

Armin Paasch, Menschenrechtsexperte bei Misereor, verurteilt die Ablehnung des EU-Lieferkettengesetzes als „eine moralische Bankrotterklärung. Für Profit und Wachstum europäischer Konzerne nimmt der Rat weiterhin Ausbeutung und Umweltzerstörung in Kauf und verweigert Betroffenen die Chance auf Schadensersatz. Europäische Werte gelten offenbar nur dann, wenn sie uns nichts kosten.“ Die Verantwortung sieht Misereor hauptsächlich bei Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich geweigert hat, dem Gesetz gemäß Koalitionsvertrag und kraft Richtlinienkompetenz zuzustimmen. 

„Die Kehrtwende der Bundesregierung in letzter Minute beschädigt Ansehen, Glaubwürdigkeit und Gewicht der Bundesregierung in der EU. Sie unterhöhlt grundlegende Mechanismen der Kompromiss- und Entscheidungsfindung der EU selbst. Sie schürt dadurch auch Politikverdrossenheit zugunsten von rechtpopulistischen Parteien und anderen EU-Skeptikern - und dies im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament“, warnt Silvie Kreibiehl, Vorstandsvorsitzende von Germanwatch.  

Mit ihrem Veto würde die FDP entgegen den Interessen ihrer Wähler*innen handeln, so Germanwatch und Misereor. Einer aktuellen INSA-Umfrage nach würde ein Drittel der FDP-Wähler*innen das EU-Lieferkettengesetz befürworten.  

Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Sascha Müller-Kraenner betrachtet die Blockade als „Sargnagel für ein zentrales Projekt für mehr Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Umweltauflagen in den Lieferketten“. Bundeskanzler Scholz habe sich mit seiner Enthaltung der Blockadehaltung der FDP unterworfen und damit den Verlust der Glaubwürdigkeit Deutschlands als Verhandlungspartner auf EU-Ebene schulterzuckend hingenommen. 

Franziska Humbert, Leitung Team Gerechtes Wirtschaften bei Oxfam, kommentiert ebenfalls: „Mit ihrer Blockade beschädigt die Bundesregierung die EU-Institutionen und lässt Deutschland als unzuverlässigen Partner dastehen. Sie riskiert, dass eines der größten Menschenrechtsprojekte der EU durch politische Wahlkampfmanöver eines Koalitionspartners zu Fall gebracht wird.“ 

Aus Sicht Olaf Bandts, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), „schadet die FDP dem Ansehen Deutschlands auf EU-Ebene. Sie schadet der Handlungsfähigkeit der EU und damit insgesamt der europäischen Idee in dieser krisenhaften Zeit.“ Bandt appelliert an die belgische Ratspräsidentschaft, „damit die Blockade der FDP nicht zu einem Aus des EU-Lieferkettengesetzes führt“.

Tsvetelina Kuzmanova, Senior Policy Advisor, Sustainable Finance von E3G,  äußert sich auf Englisch: “With EU elections looming, politicians are indulging in political manoeuvres rather than addressing the pressing need for corporate accountability. This setback underscores the urgent need to cut through the political theatrics and prioritise the well-being of the planet and its people.” Pietro Cesaro, Policy Advisor, Sustainable Finance bei E3G, ergänzt: ”The Belgian presidency now holds the crucial responsibility of unblocking this situation in the next few weeks, without losing the support of the European Parliament.” 

Heike Vesper, Vorständin Transformation & Politik beim WWF Deutschland, sieht in der Blockade einen schweren „Rückschlag für den Green Deal und die Bemühungen um eine nachhaltigere und gerechtere europäische Wirtschaft“. Auch für sie schädigt der Widerstand der FDP der FDP Glaubwürdigkeit Deutschlands auf europäischer Ebene und Bundeskanzler Scholz hätte in diesem internen Konflikt der Bundesregierung Führung zeigen müssen. Sie hebt hervor, dass die FDP-Blockade deutsche Unternehmen benachteilige und weltweit agierenden Unternehmen keine nötige Planungs- und Rechtssicherheit gebe. 

Das Forum Fairer Handel fordert Bundeskanzler Olaf Scholz auf, nun endlich ein Machtwort gegen die FDP zu sprechen und sich klar für Menschenrechte und Umweltschutz auszusprechen.   

Laut BNW-Geschäftsführerin Dr. Katharina Reuter verspielt Deutschland „damit nicht nur eine riesige Chance, sondern setzt auch seinen Ruf als verlässlicher Partner für die Transformationspolitik aufs Spiel“. Progressive Unternehmen würden sich längst auf den Weg machen zu einem Wirtschaften, das Menschenrechte wahrt und die Umwelt schont. 

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Lisa Jörke

Referentin für europäische und internationale Klimapolitik
Klima-Allianz Deutschland

030/780 899 523
lisa.joerke@klima-allianz.de