07.2015
Publikationen

NGO-Luftverkehrskonzept

Schritte zu einem zukunftsfähigen und umweltverträglichen Luftverkehr in Deutschland

Derzeit wird das im Koalitionsvertrag angekündigte Luftverkehrskonzept für Deutschland unter Federführung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) erstellt. Notwendig ist es, den Flugverkehr in eine Gesamtverkehrsperspektive und eine Strategie nachhaltiger Mobilität einzubetten. Das BMVI will mit dem Luftverkehrskonzept vor allem das Luftverkehrswachstum — unter Vernachlässigung der Nachhaltigkeitsziele und -strategie der Bundesregierung — fördern. Da der Luftverkehr bereits heute für mindestens 5% der menschengemachten globalen Erwärmung verantwortlich ist, müssen in Anbetracht der Treibhausgas-Minderungsziele der Bundesregierung in Höhe von 80-95% bis 2050 gegenüber 1990 auch die Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs drastisch vermindert werden. Umwelt-, Lärmschutz- und Entwicklungsverbände stellen hiermit ihre Analyse sowie Vorschläge für eine klima- und umweltverträgliche Entwicklung des Luftverkehrs in Deutschland vor, um diese Ziele am oberen Ende zu erreichen.

Die Marktanalyse zeigt Passagierzunahmen an Drehkreuzflughäfen und großen Flughäfen bei rückläufigen Flugbewegungen in Deutschland. Zu vergleichbaren europäischen Flughäfen gibt es keine signifikanten Unterschiede.

Eine Politik für eine Internalisierung externer Effekte, gegen Dumping und für die Sicherung auskömmlicher Löhne und guter Arbeitsverhältnisse ist vordringlich. Ohne Maßnahmen für einen fairen Wettbewerb beschleunigt sich der „Wettlauf nach unten“ (Race to the Bottom) und Wohlfahrtseinbußen sind unvermeidlich. Die Möglichkeiten des Open-Skies-Abkommens und der Vergabe von Verkehrsrechten können gezielt für eine Politik gegen Dumping genutzt werden.

Im Umweltvergleich stößt der innerdeutsche Flugverkehr bei einem Verbrauch von durchschnittlich 8,0 Litern Kerosin pro 100 Personenkilometer über 200 g CO2 / Pkm aus, fast 20 mal so viel CO2 wie die Bahn im Fernverkehr (11 g CO2/km, Bezugsjahr 2014). Dabei wirken Emissionen von Wasser-dampf (beim Flugverkehr in Form von Kondensstreifen oder Zirruswolken) in hohen Luftschichten klimaschädlicher als am Erdboden. Der Vorteil der Bahn wird in Zukunft noch größer. Effizienzfortschritte wurden im innerdeutschen Flugverkehr durch den Einsatz größerer Flugzeuge erzielt.

Der Flughafenwildwuchs der letzten Jahrzehnte sowie die Subventionierung insbesondere der Regionalflughäfen sollte zugunsten eines übergeordneten europäischen oder zumindest nationalen Flughafensystems beendet werden. Dessen Kern sollten die sechs mit Gewinnen arbeitenden, eigenwirtschaftlichen Flughäfen sein, ergänzt durch einzelne aus dem sog. Kernnetz der Europäischen Union. Statt auf Konkurrenz sollte auf regionale Kooperationen gesetzt werden.

Fast 150.000 innerdeutsche und grenzüberschreitende Flüge könnten sofort, 200.000 mittelfristig, auf die Schiene verlagert werden. Per ICE, TGV, Thalys etc. können diese Flugziele in weniger als vier Stunden erreicht werden. Zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur oder zusätzliche Züge sind dafür nicht nötig. Ein „Airrail-Plus“-System mit Codesharing und bequemer Gepäcklogistik sollte für Bahn-Feederverkehre zu Drehkreuzflughäfen entwickelt werden.

Zur Einhaltung der 2°C-Obergrenze ist das in der Internationalen Zivilen Luftverkehrsorganisation (ICAO) verhandelte Konzept des Carbon Neutral Growth nicht geeignet. Es sollte deshalb global eine Klimaabgabe auf CO2-Äquivalente (CO2e) eingeführt werden, die ab 2020 mit 10 USD/Tonne startet und ab 2025 Nicht-CO2-Effekte einbezieht, um durch Flugrouten- und Flughöhenmanagement Erderwärmungseffekte oder auch atmosphärische Erwärmungseffekte im Reiseflug zu minimieren.

Zur effektiven Minderung des gesundheitsschädlichen Fluglärms — selbst bei zunehmenden Passagierzahlen und Flugbewegungen — sollen an allen Flughäfen Lärmminderungskonzepte entwickelt werden. Diese beinhalten u.a. die Nutzung neuer flugbetrieblicher Maßnahmen, die schrittweise Einführung von Lärmobergrenzen sowie den konsequenten Schutz von acht Stunden Nachtruhe. Die lärmabhängigen Start- und Landeentgelte sollten reformiert und zusätzlich zu den sonstigen Flughafenentgelten erhoben werden.

Nicht zuletzt sollen die Fluglärmkommissionen gestärkt und die Anwohner an der Planung von Flugrouten und aktiven Lärmminderungsmaßnahmen beteiligt werden.

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