#25 Berliner Klimagespräch: Kultur und Klima – Klimaschutz braucht Vielstimmigkeit
Beim #25 Berliner Klimagespräch kamen die Mitglieder der Klima-Allianz Deutschland mit Vertreter*innen der Kulturbranche zusammen, darunter Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Unter dem Motto „Klimaschutz braucht Vielstimmigkeit” diskutierten sie die facettenreiche Rolle von Kultur für die Klimaschutzbewegung. Die Jubiläumsveranstaltung fand am 24. September 2024 im Internationalen Kultur Centrum ufaFabrik in Berlin statt.
Der Raum ist still, als die ersten Klavierklänge den Saal erfüllen. Enno Bunger sitzt am Flügel, die Finger schweben über die Tasten. Die Melodie ist zart, fast beruhigend, doch die Worte, die folgen, durchdringen diese Harmonie mit ungeschönter Direktheit: „Sehe ich noch richtig in dieser seltsamen Welt? Gas soll jetzt grün sein und das Gras schon bald gelb.” Sein Gesang klingt sanft, doch die Botschaft seiner Lieder ist klar und unverkennbar kritisch.
Wie kommen wir aus dem Dilemma heraus, dass wir so viel über die Klimakrise wissen, aber so schleppend ins Handeln kommen? Kunst und Kultur können dabei helfen, sagte Martina Bergk, Sprecherin der Klima-Allianz Deutschland, beim #25 Berliner Klimagespräch: Indem sie helfen, Ängste zu bearbeiten und Widerstände aufzulösen.
Aufzeichnung des #25 Berliner Klimagespräches
Dr. Christiane Averbeck, Geschäftsführende Vorständin der Klima-Allianz Deutschland, hob in der gemeinsamen Begrüßung hervor, dass das Bündnis inzwischen auf 150 Mitglieds-Organisationen angewachsen sei. All diese unterschiedlichen Akteure haben sich auf gemeinsame Positionen geeinigt. Demnach ist die Kultur eine transformative Ideengeberin und eine zentrale Akteurin im Klimaschutz. Bergk dazu: „Das Ganze ist aber kein Selbstläufer. Eine transformative Kultur braucht Förderung und politischen Rückhalt. Wir brauchen auch finanzielle Unterstützung für den klimaneutralen Umbau der Kulturbranche und für das Erproben von klimafreundlichen Mobilitätskonzepten im Kulturbetrieb. Ein riesiges Potential dafür steckt in der kulturellen Vielfalt unserer Gesellschaft.”
Kulturstaatsministerin Claudia Roth sagte im Interview mit Moderator Jo Schück (ZDF), Nachhaltigkeit habe enorm viel mit Kunst und Kultur zu tun. Dies werde oft infrage gestellt. „Wir erleben, dass so viele Kultureinrichtungen, Künstlerinnen und Künstler an diesem Thema dran sind – weil sie selber betroffen sind und Einrichtungen wie Museen, Theater, Häuser resilient machen müssen. Dafür braucht es tatsächlich Mittel, die kann aber ein Kulturhaushalt gar nicht tragen.” Als Kulturpolitikerin schaffe sie Anreize, etwa bei der Filmförderung, Nachhaltigkeit als Kriterium zu berücksichtigen. „Aber die Kunst ist frei, da mische ich mich nicht ein.”
Der Komponist und Musikpädagoge Bernhard König von TRIMUM e.V. lobte im Gespräch mit Claudia Roth die Gründung der Green Culture Anlaufstelle des Bundes, kritisierte aber ihre Fokussierung auf die Betriebsökologie. Es sei zwar wichtig, dass die Häuser wärmesaniert, mit Solarpaneelen und Fahrradständern ausgestattet seien. „Die Kultur bräuchte aber auch Rückenwind dafür, aus den Wachstumszwängen auszusteigen.” Die aktuelle Kulturpolitik nähre einen Exzellenzbegriff, der auf große Reichweite und Internationalität setze und damit klimaschädliche Mobilität anreize. „Das finde ich im 21. Jahrhundert nicht mehr das richtige Wertesystem”, sagte König. Stattdessen solle man mehr auf Regionalität und die eigene Stadtgesellschaft zielen. Claudia Roth entgegnete, die Kulturpolitik des Bundes mache viel mehr als das, etwa indem sie Anreize setze und konkrete Projekte unterstütze. Zudem sei der internationale Kulturaustausch weiterhin wichtig.
Der Soziologe Manuel Rivera, Wissenschaftler am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) am Helmholtz-Zentrum Potsdam, lobte das Projekt „Allerland” des BKM und BMEL, wo Kulturschaffende zusammen mit Kommunen Konzepte für die kulturelle Weiterentwicklung der Regionen entwickeln. Er wünschte auch großen Häuser mehr Zeit, solche Entwicklungsarbeit zu leisten.
In einer zweiten Panelrunde ging es darum, wie ein Wandel in Kultur und kulturellen Handlungen aktiv zum Klimaschutz beitragen kann. Die Climate-Fiction-Beraterin Dr. Nicole Zabel-Wasmuth versucht die Filmbranche anzuregen, die Klimakrise in Filme einfließen zu lassen. „Und das eben so, dass es unterhaltsame, spannende Filme sind, dass sie möglichst nicht belehren, sondern dass die Realität und die Klimagefühle gezeigt werden.” Und sie möchte den Status Quo hinterfragen: „Welche fossilen Narrative erzählen wir da eigentlich? Und wer sind die Antagonisten?”
Diana Schild vom muslimischen Umweltschutzverein NourEnergy e.V. kommt zwar aus einer ganz anderen Richtung, denkt aber ebenfalls über Narrative für kulturellen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit nach. „Wir versuchen über Bildung, über Spiritualität die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. Und zu zeigen: Das ist ein Teil eures Glaubens und zwar ein gottesdienstlicher Teil. Und wenn ihr den vernachlässigt, dann ist die Klimakrise auch eine spirituelle Krise.” Im Projekt GreenIftar regt NourEnergy dazu an, das Fastenbrechen im Ramadan plastikfrei zu begehen (hier der Trailer).
Für Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, belegen schon Geschichten aus der Bibel die Transformationsfähigkeit der Menschen. „Geh weg von deiner Familie, erfinde dich neu. Zieht in die Wüste, da hinten wird es gut werden. Und die Menschen haben sich über Jahrhunderte immer wieder darauf eingelassen. Gerade sehen wir ganz viel Angst vor Veränderung, Angst vor Transformation, aber eigentlich haben es schon so viele Generationen vorgelebt. Warum sollten wir jetzt in einer hoch-technologisierten Gesellschaft Angst davor haben, was Menschen schon vor tausenden von Jahren geschafft haben, nämlich sich immer wieder neu zu erfinden?”
Der Regisseur und Drehbuchautor Lars Jessen, ist überzeugt: „Geschichten können die Welt verändern. Und deswegen müssen die Leute, die es am besten können, andere Geschichten erzählen. Dabei sei Humor die wichtigste Zutat: „Der Haupt-Movens ist glaube ich Lachen. Wenn du über dich selber lachen kannst, dann kommst du aus der Verkrampfung raus. Deshalb mein großer Appell: Traut euch, Komödien zu erzählen! Traut euch, vielleicht auch Tragikomödien zu erzählen. Ja klar ist das schwierig, aber soll man es deswegen nicht versuchen?”
Das gilt sicherlich nicht nur fürs grüne Filmedrehen, sondern auch für den Einsatz gegen die Klimakrise insgesamt.
Die Veranstaltung wurde gefördert durch die Allianz Foundation. Wir danken für die Unterstützung und allen Beteiligten für die spannende Diskussion!
Fotos: Jörg Farys/Klima-Allianz Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Anfragen zur Nutzung der Fotos bitte an Laura Simanjuntak.
Pressebericht über das #25 Berliner Klimagespräch

Laura Simanjuntak
Mitarbeiterin Veranstaltungen und Netzwerkarbeit
Klima-Allianz Deutschland e.V.
030/780 899 513
laura.simanjuntak@klima-allianz.de