Deswegen habe die Ampel den klaren Auftrag, im neuen Koalitionsvertrag unter anderem bessere nationale Klimaziele, einen Kohleausstieg bis 2030, einen Ausstieg aus klimaschädlichen Subventionen, einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, eine Verdopplung der Klimafinanzierung und den Ausbau internationaler Klimapartnerschaften zu verankern.
Der Appell im Wortlaut:
„Die Weltklimakonferenz in Glasgow ist gestern mit dem Abschluss vieler Verhandlungsstränge zu Ende gegangen, lässt aber eine Reihe von Fragen ungelöst. Damit ist der Wendepunkt, um das 1,5-Grad-Limit in Reichweite zu halten, noch nicht erreicht. Zumindest ist die Wende zu einem globalen Kohleausstieg in Sicht.
Entscheidend ist jetzt, dass die Länder bei ihren nationalen Klimazielen nachbessern, den Kohleausstieg und den Ausbau zu 100 Prozent erneuerbaren Energien umsetzen sowie andere Länder durch internationale Klimapartnerschaften dabei unterstützen. Wir haben in Glasgow gesehen, wie zentral es für das globale Klimaziel ist, dass auch Schwellenländer den Weg zu 100 Prozent Erneuerbaren angehen. Deswegen appellieren wir an die Ampel-Parteien, einen entsprechenden Koalitionsvertrag zu vereinbaren mit dem Ziel, die Emissionen bis 2030 um 70 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Dafür muss der Kohleausstieg bis 2030 umgesetzt sein. Ab heute dürfen Steuergelder nicht mehr für Kohle, Öl und Gas eingesetzt werden. Auch der Ausstieg aus der internationalen Förderung von Kohle, Öl und Gas muss schnell und konkret umgesetzt werden. In der Verkehrs-, Finanz- und Agrarpolitik ist ein dringendes Umsteuern notwendig. Wir brauchen eine Klimaaußenpolitik aus einem Guss mit klarem Mandat. Dazu braucht es mehr Geld und Personal im Bundesumweltministerium, im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie im Auswärtigen Amt.
Auf EU-Ebene braucht es jetzt starke Beschlüsse, die eine Übererfüllung des 2030-Ziels in Richtung 65 Prozent Emissionsreduktion sicherstellen. Die EU hat den Auftrag aus Glasgow, bis zur COP27 ihre Klima-Ambition zu erhöhen. Hierzu muss Olaf Scholz auch verhindern, dass die geschäftsführende Bundesregierung dem Einbezug von Erdgas und Atomenergie in die EU-Taxonomie zustimmt.
Die Beschlüsse von Glasgow senden das klare Signal, dass die Klimafinanzierung deutlich hochgefahren werden muss, damit die Industrieländer über den Zeitraum von 2020 bis 2025 im Durchschnitt mindestens 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr bereitstellen. Die Ampelkoalition muss daher einen klaren Plan vorlegen, bis 2024 die Haushaltsmittel für die Klimafinanzierung auf mindestens acht Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen – davon mindestens 50 Prozent für Klimaanpassung. Zudem sollte die Koalition die Etablierung einer Finanzfazilität zu Klimaschäden unterstützen, deren Ausarbeitung Diskussionsgegenstand im Vorfeld der COP27 in Ägypten 2022 sein wird. Wenn dazu wieder kein Konsens erreichbar ist, sollten Vorreiterstaaten dies auf den Weg bringen.
Die ambitionierte Umsetzung der Beschlüsse von Glasgow muss in Deutschland heute beginnen. Der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien ist das Schlüsselinstrument, an dem wir SPD, Grüne und FDP messen werden. Wir rufen die neue Bundesregierung auf, das völkerrechtlich verbindliche Paris-Abkommen konsequent umzusetzen und die Verletzung dieses Paktes und der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zu beenden.”
Zitate der beteiligten Organisationen:
Annika Rach, Referentin für Klimapolitik von Brot für die Welt:
„Der historisch gewachsenen Verantwortung gegenüber den Menschen im Globalen Süden, die schon jetzt unter den verheerendsten Auswirkungen der Klimakrise leiden, wurde in Glasgow nicht ausreichend nachgekommen. Umso wichtiger ist es jetzt, dass die neue Bundesregierung globale Klimagerechtigkeit in den Mittelpunkt der deutschen Klimapolitik rückt: eine lebenswerte Zukunft für alle gestalten und zusätzliche finanzielle Mittel für die Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verlusten bereitstellen.”
Sven Harmeling, Global Policy Lead on Climate Change and Resilience bei CARE Deutschland:
„Für die im Glasgow-Pakt enthaltene Verpflichtung der Industrieländer, die Finanzierung der Klimaanpassung bis 2025 zu verdoppeln, ist es nun zentral, dass die neue Koalition die Klimafinanzierung bis 2025 auf mindestens acht Milliarden Euro Haushaltsmittel jährlich steigert. Die Hälfte muss für Klimaanpassung sein, um betroffene Bevölkerungsgruppen in Entwicklungsländern, insbesondere Frauen und Mädchen, stärker bei der Klimavorsorge zu unterstützen.”
Farina Hoffmann von GenderCC – Women for Climate Justice:
„Wir sehen ein ziemlich formal-technisches Outcome zu Gender, ohne die inhaltliche Dynamik aufzubauen, die wir brauchen, um eine geschlechtergerechte Klimapolitik zu erreichen. Diese weniger ambitionierten Ergebnisse spiegeln auch die Hürden für die Teilnahme an dieser COP26 für kritische Stimmen des Globalen Südens wider.”
Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch:
„Nach Glasgow ist 1,5 Grad noch nicht in Reichweite, dazu fehlen vor allem eine Verschärfung des Klimaziels für 2030 in China und eine glaubwürdige Umsetzung der US-Ziele. Aber wir haben weltweit deutlich mehr Dynamik für Klimaschutz und Kohleausstieg von Staaten, Unternehmen, Finanzsektor und Zivilgesellschaft als je zuvor. Wir müssen diese Dynamik nutzen, um jetzt in Deutschland und durch solidarische internationale Kooperation auf gesellschaftliche Kipppunkte hinzuarbeiten. Eine Dynamik, die die in Glasgow verkündeten Langfristziele nicht nur beschwört, sondern umsetzt.”
Dr. Julian Zuber, CEO von GermanZero:
„Die gemischte Bilanz von Glasgow zeigt: Der Ernsthaftigkeit bevorstehender Auswirkungen der Klimakrise wird nach wie vor nicht Genüge getan. Die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits hängt an einem klaren Emissionsbudget sowie konkreten, progressiven Maßnahmen – national wie international. Die neue Bundesregierung muss in den kommenden Wochen mit einem konsistenten Klimaschutzprogramm zeigen, dass sie das 1,5-Grad-Limit ernst nimmt.“
Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland:
„Die Hoffnung, die globale Temperatur noch unter 1,5 Grad stabilisieren zu können, hängt nun also an denjenigen Ländern, die ihre Verantwortung wahrnehmen wollen. Für Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Robert Habeck und Christian Lindner ist das Ergebnis von Glasgow ein klarer Auftrag, diese Verantwortung zu übernehmen. Bereits im ersten Regierungsjahr sind Sofortmaßnahmen in der Klimapolitik dringend zu ergreifen. So ist der Kohleausstieg bis 2030 zwingend notwendig. Ab heute dürfen unsere Steuergelder nicht mehr für Kohle, Öl und Gas eingesetzt werden.”
Daniela Ordowski, Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands:
„Die verheerenden Folgen der Klimakrise zeigen sich bereits jetzt in urbanen wie ländlichen Räumen, im Globalen Süden und Norden. Es muss klar sein, dass das Limit von 1,5 Grad keine Maximalforderung ist, sondern der einzig gangbare Weg in eine lebenswerte und gesicherte Zukunft.”
Malte Hentschke-Kemper, stellvertretender Geschäftsführer der Klima-Allianz Deutschland:
„Die Ergebnisse der Klimakonferenz in Glasgow werden der eskalierenden Klimakrise nicht gerecht. Es ist gut und wichtig, dass eine Abkehr von der Kohle und von Subventionen für fossile Energieträger genannt ist. Die Dringlichkeit von schnellem Klimaschutz muss sich nun ganz konkret im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien mit einem Klimaschutzsofortprogramm und dem Kohleausstieg 2030 niederschlagen.”
Anika Schroeder, Referentin für Klimawandel und Entwicklung bei MISEREOR:
„Auch Deutschland hat vor und während dieser COP nicht genug getan, um den nötigen Rettungsschirm für Menschen in ärmeren Ländern aufzuspannen. Die vielen Zusagen und Vereinbarungen außerhalb des eigentlichen Verhandlungsgeschehens zum Ausstieg aus den Fossilen und zum Einstieg in die Unterstützung für den Umgang mit Schäden und Verlusten zeigen, dass Deutschland sich in eine Koalition der Willigen einreihen kann. Dazu muss die Bundesregierung ihre Sonntagsreden in glaubwürdige Politik und Maßnahmen überführen, auf einen 1,5 Grad-Pfad ausrichten und die Klimafinanzierung aus Haushaltsmitteln auf acht Milliarden Euro pro Jahr erhöhen sowie dem Beispiel Schottlands und der Wallonie folgen, Mittel für den Umgang mit Schäden und Verlusten bereitzustellen.“
Michael Schäfer, Fachbereichsleiter Klima- und Umweltpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU):
„Mit vielen Vorreiter-Allianzen hat Glasgow trotz des mageren Abschlusses neue Dynamik in die internationale Klimapolitik gebracht. Dynamik braucht es auch in Berlin, damit Deutschland bei der internationalen Klimapolitik nicht weiter Zaungast bleibt. Offensichtlich ist es der Ampel bisher noch nicht einmal gelungen, die Klimaziele der Großen Koalition mit Maßnahmen zu unterlegen, geschweige denn darüber hinauszugehen. Diese Blockaden muss Olaf Scholz jetzt überwinden, denn für taktische Spielchen ist die Erderhitzung zu gefährlich und die Zeit zu knapp.“
Jan Göldner, Bundesjugendsprecher der NAJU (Naturschutzjugend im NABU):
„Glasgow hat gezeigt, wie weit tatsächliche und notwendige Ambitionen auseinanderliegen. Die Ampel-Parteien haben den zukünftigen Generationen weitreichende Versprechungen gegeben. Diesen müssen nun schnell konkrete Maßnahmen folgen. Die Zeit des Herausredens ist vorbei!“
Jan Kowalzig, Referent für Klimawandel und Klimapolitik bei Oxfam Deutschland:
„Der Appell der Weltklimakonferenz an alle Länder, bis Ende 2022 ihre Klimaziele zu verstärken, ist auch nach Berlin gerichtet. Es wird sich in den nächsten Wochen zeigen, ob FDP und SPD in den Koalitionsverhandlungen den Pakt von Glasgow schon wieder verraten werden, noch bevor die Tinte unter den Beschlüssen der Konferenz getrocknet ist.”
Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland:
„Die Länder sind aufgefordert, nächstes Jahr mit verbesserten Beiträgen zur Klimakonferenz zu kommen. Das heißt auch für die EU und Deutschland, ihre Anstrengungen zu verstärken. Die UN werden die Fortschritte jedes Jahr messen. Ein klares Signal geht nach Deutschland: Ein beschleunigter Kohleausstieg, Erneuerbaren-Ausbau und der Abbau von klimaschädlichen Subventionen müssen im Koalitionsvertrag stark verankert sein.”