Klimaschutz – eine Frage unserer Zeit

Beim Zukunftsbankett der Klima-Allianz Deutschland sprachen rund 100 Spitzenvertreter*innen der Zivilgesellschaft und der demokratischen Parteien über die Zukunft der Klimapolitik.

Das meterhohe Skelett eines Brachiosaurus, 150 Millionen Jahre alt. Daneben weißgedeckte Tische mit herbstlicher Dekoration. Eine Trompete spielt das Zarathustra-Motiv. Überall im Raum gehen kleine, sonnenförmige Lichter an. Am 22. Oktober 2019 öffnete das Berliner Naturkundemuseum seine Türen für einen ganz besonderen Anlass: das Zukunftsbankett der Klima-Allianz Deutschland. Rund 100 hochrangige Vertreter*innen unserer Mitgliedsorganisationen kamen an diesem Abend mit Politiker*innen aus Jung- und Mutterparteien zusammen, um in Dialog zu treten: über die Zukunft der Klimapolitik, Generationengerechtigkeit und gesellschaftliche Bündnisse.

 

Die Dinosaurier im Rücken führten uns vor Augen, was droht, wenn wir so weiterleben und wirtschaften wie bisher: das sechste Massensterben der Erdgeschichte. Am menschengemachten Klimawandel und den katastrophalen Folgen besteht kein Zweifel mehr. Die Frage ist, wie wir mit dieser Erkenntnis umgehen. Die Bundesregierung reagiert zäh und schnürt Päckchen, die zur Erreichung der Pariser Klimaziele nicht ausreichen. Und was macht die Klima-Allianz Deutschland? Sie bringt Umwelt- und Entwicklungsverbände, Kirchen, Gewerkschaften, Bildungseinrichtungen, Jung und Alt mit der Politik an einen Tisch. Sie schafft die Gelegenheit in Dialog zu treten, sich zu erklären und einander zu kritisieren, Kräfte zu bündeln und sich gegenseitig zu ermutigen.

In einem waren sich alle einig, insbesondere die Parteijugenden: Wir müssen handeln und zwar jetzt! „Es muss Schluss sein mit morgen, morgen, nur nicht heute“, sagte Ria Schröder (Junge Liberale) und forderte eine Rückbesinnung auf das Verantwortungsprinzip. Josef Parzinger von den Jusos glaubt, „wir können diese Frage am besten anpacken, wenn wir die fortschrittlichen, progressiven Bewegungen in diesem Land zusammenbringen, wenn wir die sozialen Bewegungen und die Umweltschutzbewegung zusammenbringen.“ Michael Neuhaus (Linksjugend [´solid]) und Ricarda Lang von der Grünen Jugend fürchten um die soziale Gerechtigkeit, je weiter klimapolitisches Handeln in die Zukunft geschoben wird. „Alle Maßnahmen, die wir jetzt nicht ergreifen, werden künftig immer schwerer sozialverträglich umzusetzen sein“, brachte es Lang auf den Punkt. Neuhaus meint: „ Wenn wir unsere klimapolitischen Maßnahmen weiter in die Zukunft schieben, müssen wir noch radikaler werden – das ist nicht klimagerecht.“ Finn Wandhoff von der Schüler Union fordert, Klimaschutz internationaler zu denken: „Wir wollen erst internationale Kooperationen, damit man gemeinsam den Weg gehen kann, den wir jetzt auch in unserer Gesellschaft bereit sind, gemeinsam zu gehen.“

Der Klimawandel verursacht allerdings nicht nur einen Generationenkonflikt, er schafft bereits jetzt globale Gerechtigkeitsmissstände. „Vor allem die Menschen im Globalen Süden haben im Vergleich zu uns hier in Europa und in Nordamerika historisch am wenigsten zum Klimawandel beigetragen, leiden aber schon heute überproportional stark unter seinen Folgen. Das ist nicht klima-gerecht! Und es ist verantwortungslos gegenüber künftigen Generationen“, so Kathrin Schroeder von Misereor, Sprecherin der Klima-Allianz Deutschland. „Unser Mut muss daher größer sein als unsere Angst vor Veränderung“, sagte Schroeder. In der gemeinsamen Keynote befand Christoph Bals von Germanwatch, Sprecher der Klima-Allianz Deutschland, die notwendige Zukunftspolitik entstehe nicht allein durch ständig mehr Druck auf die Politik und kommunikative Katastrophenmalerei. Aber der entstandene Druck vergrößere den Handlungsspielraum in Politik, Wirtschaft und Finanzmarkt. „Diesen Spielraum kann die Zivilgesellschaft in der Politik nutzen, um mehr Resonanz zu erzeugen und so Veränderungen in Parteiprogrammen durch den Rückenwind breiter gesellschaftlicher Bündnisse mit anzustoßen.“ Für Parteien bedeute dies nicht die Aufgabe ihrer Traditionen, sondern sie sollten ihre Parteiprogramme und den Kern ihrer Parteipolitik vor dem Hintergrund des Klimaschutzes fortentwickeln.

Das kürzlich beschlossene Klimapaket zeugt davon, dass das Ausmaß der Klimakrise noch nicht von allen verstanden wurde. Die Vertreterinnen und Vertreter der Parteien waren sich einig darüber, dass die bisherigen Kabinettsbeschlüsse zum Klimaschutz nicht ausreichen, um Paris einzuhalten und sahen das Klimapaket eher als einen Startpunkt für eine weitergehende Diskussion. Rüdiger Kruse von der CDU verwahrte sich gegen die Kritik daran: „Das Klimapaket ist nicht mit den zehn Geboten zu verwechseln. Einmal aufgeschrieben, für tausend Jahre gültig.“ Wie schnell und mit welchen Mitteln wirksam nachgesteuert werden soll, darüber gingen die Meinungen von Regierung und Opposition auseinander. Lorenz Gösta Beutin von den Linken fragte, „wie es die Bundesregierung wagen kann, ein Klimapaket zu verabschieden, das nicht mal die Ambition hat, die Klimaziele zu erreichen“. Er forderte „Akzeptanz durch Beteiligung“ und die Energiewende als demokratisches Projekt zu verstehen. Für Matthias Miersch von der SPD stand das Thema Energiewende ganz oben auf der Prioritätenliste: „Alles ist nichts, wenn wir nicht den Ausbau von Erneuerbaren Energien erreichen“, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Das meint auch Dr. Anton Hofreiter von Bündnis 90/Die Grünen: „Man muss das Grundlegende anpacken. Man muss dafür sorgen, dass die Erneuerbaren Energien wirklich ausgebaut werden. Wir erleben aller Rhetorik zum Trotz das glatte Gegenteil.“ Dr. Anja Weisgerber von der CSU meinte: „Wir als Deutsche müssen auf internationaler Ebene beweisen, dass wir Wirtschaftswachstum nachhaltig gestalten können.“ Und Christian Dürr, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Haushaltspolitiker bei der FDP, gab sich als Verfechter des Budgetansatzes zu erkennen: Er forderte ein Mengenziel, um bei den Treibhausgasen wie im Haushalt auf eine schwarze Null zu kommen.

Neben politischen Reden bot das Zukunftsbankett Reize für alle Sinne. Mit Tuba, Trompete, Horn, Oboe und Pauke interpretierte das Orchester des Wandels das berühmte Motiv aus Richard Strauss‘ Sinfonie „Also sprach Zarathustra“. Dazu ließ Felix Hallwachs von Little Sun, einem Projekt des Künstlers Olafur Eliasson, mit allen Gästen gemeinsam „die Sonne aufgehen“: Nach und nach knipsten sie überall im Raum kleine sonnenförmige Solarlampen an, bis der gesamte Sauriersaal sich in ein Lichtermeer verwandelt hatte.

Ein vegetarisch-veganes Dreigängemenü traf den Geschmack der Bankettgesellschaft. Das Besondere: Mit Apfel, Pastinake, Hokkaido-Kürbis, Rote Bete und Walnuss bestanden alle Gänge aus denselben fünf saisonalen und heimischen Zutaten. Drei Studierende des dualen Studiengangs BWL-Food Management an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Heilbronn setzen sich mit ihrem Vorschlag in einem vorangegangenen Hochschulwettbewerb gegen elf andere Teams durch. Das Menü, die Musik, die beeindruckende Lichtinszenierung und allein der Ort des Zusammenkommens machten diesen Abend zu einem „Gesamtkunstwerk“, wie es die Moderatorin Anke Plättner von phoenix formulierte.

Wir hoffen, dass dem einen oder anderen Gast an diesem Abend ein Lichtlein aufgegangen ist, dass Funken übergesprungen und neue Ideen entflammt sind. Dass unsere Mitglieder und die Politiker*innen neben ihrer Little Sun auch Mut und den Willen zur Tat mitgenommen haben und diese in ihre Organisationen, ihre Verbände und Fraktionen tragen.

 

Weitere Fotos vom Zukunftsbankett finden Sie in unserem flickr-Album.