13.12.2023
News von Klima-Allianz

Nach 7 Jahren Engagement rund um die Tagebaue NRWs: Zivilgesellschaft als Motor, Mahner und Mittler

Nach sieben Jahren Einsatz für den Kohleausstieg und einen nachhaltigen Strukturwandel in NRW beendet die Klima-Allianz Deutschland 2023 ihre Arbeit in NRW. Linus Platzer, Referent Kohlepolitik und Strukturwandel NRW der Klima-Allianz Deutschland, blickt zurück auf ein bewegtes Jahr, das in vielerlei Hinsicht auch Umbrüche und Anfänge beinhaltete.

Bild: Bernd Lauter

Anfang des Jahres machte der kleine Ort Lützerath am Tagebau Garzweiler Schlagzeilen, die rund um die Welt gingen: gegen den Protest der internationalen Klimagerechtigkeitsbewegung, der deutschen Umweltverbände und zahlreicher Mitglieder der Klima-Allianz Deutschland räumte die Polizei im Auftrag des Landes NRW das Dorf. Am 14. Januar protestierten knapp Fünfzigtausend Menschen gegen die Räumung und für das Pariser Klimaabkommen.  

Auch die Zeit nach der Kohle muss stärker an Klima und Nachhaltigkeit ausgerichtet und geplant werden. Im Bündnis mit zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen in NRW veröffentlichten wir deswegen kurz nach der Räumung einen „10-Punkte-Plan für einen klimagerechten und naturverträglichen Wandel im Rheinischen Revier“.  

Für das weitere Jahr waren diese frühen Entwicklungen prägend. Zum einen läutete das Ende des Kristallisationspunktes Lützerath auch einen Umbruch im Engagement der politischen Bündnispartner*innen gegen die Braunkohle ein. Zum anderen nehmen die zukünftige Transformation der Region, die fehlende Nachhaltigkeit der geförderten Projekte und die mangelhafte Beteiligung der Zivilgesellschaft nun mehr Raum ein. Und das ist dringend notwendig, geht es doch um das jahrzehntelange Projekt, die Region zu einer Modellregion zu transformieren – sowohl die Stärken als auch die Wunden nicht vergessend. 

Eine Schwachstelle bleibt offensichtlich: Obwohl sie den Wandelprozess angestoßen hat, wird die Zivilgesellschaft auch drei Jahre nach Kohleausstiegsgesetz und Strukturstärkungsgesetz bei der Ausgestaltung strukturell ausgeschlossen. Unsere im Mai veröffentlichte Studie „Strukturwandel des Rheinischen Reviers: Partizipation der Zivilgesellschaft zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ hat ganz deutlich belegt. Das Ruhr-Forschungsinstitut für Innovations- und Strukturpolitik hat in unserem Auftrag analysiert, inwieweit die bisherige Bürger*innen- und Stakeholder-Beteiligung ernstgenommen und fair gestaltet wurde. Die Studie kommt auf allen Ebenen zu einer negativen Bewertung: Revierkonferenzen, Spurgruppe und weitere Veranstaltungen der ZRR waren bisher nur „scheinheilige Beteiligungsformate“, wie es Fridays for Future NRW auf der dazugehörigen Pressekonferenz am 11. Mai 2023 ausdrückte. Es mangelt also aufseiten der Verantwortlichen in Land und Region nicht nur an gutem Willen und Planung, auch die Umsetzung der Beteiligung weist grobe handwerkliche Fehler auf. Die Kohlekommission hatte gefordert, „die Strukturwandelprozesse von unten in den Braunkohleregionen zu stärken“ – entgegen offiziellen Beteuerungen ist hier noch viel Luft nach oben, um Mitgestaltung durch und den Zusammenhalt der Gesellschaft zu fördern. 

Im Rahmen des Strukturwandels sind undurchsichtige Governancestrukturen geschaffen worden, die eine nachhaltige Gestaltung der Region verhindern. Als Konsequenz kommt NRW nach Einschätzung der ersten Strukturwandel-Evaluationen selbst bei einer engen Fokussierung auf wirtschaftliche Kriterien kaum voran. Auch der neue „Reviervertrag 2.0“ berücksichtigt nicht ausreichend ökologische und soziale Belange. Dies machten wir am 30. Mai gemeinsam mit zahlreichen Mitgliedern vor der Düsseldorfer Staatskanzlei deutlich und fordern erneut, den Strukturwandel auf Nachhaltigkeitsziele auszurichten. Gleichzeitig trugen wir diese Forderungen in Hintergrundgesprächen an die Zuständigen auf kommunaler, regionaler und Landesebene heran.  

Die Region könnte ein lebendiger Ausgangspunkt der ökologischen und demokratischen Erneuerung werden. Es gibt auch interessante Impulse von unten: In Morschenich am Rande des Hambacher Waldes fand Mitte Juni erstmals die Temporäre Universität Hambach eine Woche lang statt und schuf zeitweise einen neuen Ort der Begegnung. Dort schloss sich auch am letzten Abend nach fast sieben Jahren Engagement mit der letzten Kohlerunde NRW der Kreis der kohlepolitischen Vernetzung durch die Klima-Allianz Deutschland. 

Wie es weitergehen sollte und könnte für die Zukunft des Rheinlands, wurde ebenso im Juni auf der Entwicklungskonferenz in Düren deutlich. Angeleitet durch Kirchen, Umweltverbände, Gewerkschaften und Klima-Allianz Deutschland, kamen Bevölkerung und Zivilgesellschaft mit dem Geschäftsführer der Zukunftsagentur Rheinisches Revier in ein kritisches und konstruktives Gespräch. Dass die Kommunalpolitik trotz Einladung nicht anwesend war, legte eine bedauerliche Lücke im Strukturwandelprozess des Rheinischen Reviers offen. Auf den nachfolgenden RevierDialogen vertieften die Sachverständigen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft die Themen der Konferenz, weitere sind für 2024 in Planung. 

Die Abschlussveranstaltung unseres Projekts am 7. November in der Alten Feuerwache in Köln zeigte, dass Vernetzung engagierter Menschen mit einer klaren Haltung für Klimagerechtigkeit relevant bleibt. Mehr als 70 Mitstreiter*innen und Interessierte kamen, um mit uns gemäß dem Motto „Raus aus der Kohle, Rheinland for Future!“ sieben Jahre Engagement für die Transformation in NRW zu reflektieren und zu feiern. Jetzt sortiert sich die Zivilgesellschaft rund um die Tagebaue neu. Der Blick richtet sich zunehmend auf die Frage, wie wir die Region in der zweiten Phase des Strukturwandels mitgestalten können. Wie kann das gelingen in einer Zeit, die zunehmend von politischen und gesellschaftlichen Krisen gekennzeichnet ist? Wir vertrauen auf die engagierten Menschen und Initiativen vor Ort.  

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